„Reinhard Gehlen verdankte seinen Aufstieg nach 1945 ja seiner legendären Aktion, bei der er Akten im Wald vergrub. Vielleicht hat er ja auch diesmal noch einige Kopien angelegt, die dereinst noch ausgebuddelt werden.“ Der Zeithistoriker Frank Bösch 2014 über die Geschichte des BND.
Die Vergangenheit kommt in zwei Pappkartons. Schmale Ordner, ein paar Schnellhefter, Stapel eng mit Maschine beschriebenes Papier, zusammengehalten von Gummibändern, die schon lange mürbe geworden sind vom lagern. 46 Blechdosen, in Leinensäckchen oder gelben Kodak-Schachteln, in jeder Filmdose eine Spule mit meterlangem Zelluloidstreifen, beim Öffnen verströmen sie den Geruch von Fixierer. Mehr als 100 000 Dokumente, sauber abfotografiert, systematisch auf Zelluloid archiviert, oft „geheim“ oder „streng geheim“ gestempelt.
Ganz offensichtlich hat Reinhard Gehlen wirklich einen weiteren Haufen hoch geheimer Akten vergraben: In den zwei Umzugskartons, auf den Filmen und den Papieren, die nun per Kurier bei der Süddeutschen Zeitung angeliefert worden sind, finden sich Hinterlassenschaften des mächtigsten Spions, den die Bundesrepublik je hatte. Die Akten und Mikrofilme erlauben einen Blick zurück in jene Jahre, in denen das junge Nachkriegsdeutschland seine Identität als demokratischer Staat mühsam erst noch finden musste, während der Kalte Krieg die Welt bereits in zwei feindliche Lager zerrissen hatte. Das Misstrauen der Spione und ihre Kommunisten-Paranoia waren so groß, dass die Agenten sogar Willy Brandt, den eigenen Außenminister, überwachen ließen.
Das zu großen Teilen bisher unveröffentlichte Material, das der Süddeutschen Zeitung von einer vertraulichen Quelle zugespielt wurde, stammt aus dem Nachlass einer der umstrittensten und einflussreichsten Figuren der Nachkriegszeit. Für Freunde und Bewunderer war Gehlen, der Gründer des Bundesnachrichtendienstes BND, ein „Meisterspion“. Sie nannten ihn den „Spion des Jahrhunderts“. Neutralere Beobachter sprachen von einer „Legende“, einem „Mann ohne Gesicht“. Seine Gegner und Kritiker hingegen sahen in ihm – und sehen bis heute – den ewig gestrigen Schattenmann, der alte Kameraden aus Wehrmacht, SS und dem Nazi-Geheimdienst SD systematisch einsetzte, um das in der Nazi-Zeit erlernte Spionage- und Überwachungshandwerk in der Bundesrepublik auf altbewährte Weise fortzusetzen. Was gestern richtig war, konnte für einen Mann wie Reinhard Gehlen heute nicht falsch sein: Der entschlossene Kampf gegen Kommunismus und Bolschewismus. Wusste 1953 doch auch die CDU, die Partei von Kanzler Konrad Adenauer, auf ihren Wahlplakaten, womit den Bundesbürgern am wirkungsvollsten zu drohen war: Alle Wege führen nach Moskau.
Der schmächtige kleine Herr mit den abstehenden Ohren war ein paranoider Kommunistenhasser. Der frühere Ostfront-Offizier der Wehrmacht kannte im Kampf gegen alle, die er für links hielt, keine Regeln, weil er selbst im Rechtsstaat nie angekommen war. So offenbart dieser spektakuläre Aktenfund, wie der eigentlich für die Auslandsaufklärung zuständige BND-Chef nicht nur das DDR-Politbüro beschattete, sondern ebenso eifrig bundesdeutsche Spitzenpolitiker bespitzeln ließ.
Auch der Einfluss auf die Medien wurde sorgsam betrieben und gepflegt. Journalisten wie die damalige Zeit-Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff zeigten sich überwältigt von Gehlens Charme, der sich ihr als „Dr. Schneider“ vorstellte und dabei stets auf beste, alteuropäische Umgangsformen achtete. Durch enge Kontakte zur ebenfalls noch sehr jungen freien deutschen Presse ließ sich der Vorwurf abweisen, die Spionage-Organisation Gehlen, kurz „Org“, die seit 1956 offiziell als Bundesnachrichtendienst (BND) firmierte, bewege sich jenseits von Recht und Gesetz.
Gehlen konnte bei all dem auf einen mächtigen Verbündeten im Kanzleramt zählen: Zusammen mit Adenauers Staatssekretär Hans Globke operierte der Schattenmann außerhalb jeder demokratischen Kontrolle und nahm ungeniert Einfluss auf die deutsche Nachkriegspolitik. Gehlen und Globke – da hatten sich zwei gesucht und gefunden. Der ehemalige Wehrmachtsgeneral, der nach dem Krieg ohne biografischen Bruch zu einem der mächtigsten Männer der Bundesrepublik aufstieg. Und sein seelenverwandter Kamerad im Kanzleramt, ein mustergültiger Technokrat, der mühelos aus dem totalitären deutschen Staat, in dem er einen juristischen Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen veröffentlicht hatte, in die junge Demokratie wechselte. Globkes Deckname in Gehlens Geheimdienstwelt: Globus.
Ob Agentenbericht, Dossier oder Kondolenzschreiben - bei Gehlen geht nichts verloren
„Globus“ steht handschriftlich, mit Bleistift, auch auf einem kleinen Zettel, der mit einem Tesafilm befestigt auf einer der Filmdosen klebt, die den Weg zur Süddeutschen Zeitung fanden. Offenbar hat der bis 1968 als BND-Chef amtierende und 1979 in Berg am Starnberger See verstorbene Gehlen das labyrinthische Archiv selbst angelegt. Wofür auch immer, wahrscheinlich heimlich, vielleicht in Eile oder unter Druck. Das Sammelsurium von mehr als 110 000 Blatt Papier ist auch Ausdruck der Kontrollwut eines Mannes, der alles aufhob und abheftete, was sein Dienst in zwanzig Jahren der Überwachung, Bespitzelung und Beschattung angehäuft hatte.
Persönliche Briefe wechseln mit lakonischen Diktaten, handschriftliche Notizen mit förmlichen Kondolenzschreiben. Jede Quittung, jede Visitenkarte, jede Einladung, der Durchschlag eines jeden Dankschreibens: Nichts darf verloren gehen, alles muss archiviert werden. Vor allem natürlich die Berichte seiner Agenten und Spione, die Lageberichte, die Dossiers über Länder und Politiker, die Korrespondenz mit fast jedem, der im Nachkriegsdeutschland Rang und Namen hatte: Kanzler Adenauer, Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, Franz Josef Strauß von der CSU, Erich Ollenhauer von der SPD, der Verleger Axel Springer. Brisantes folgt auf Belangloses, unterwürfige Briefe von alten, braunen Kameraden an den „lieben, sehr verehrten Herrn General“ oder Sitzungsprotokolle wie jenes, in dem Simon Wiesenthal den Tarnnamen „Linzer Torte“ erhält, weil der Nazi-Jäger damals in Linz lebte.
Einiges in den Kisten erlaubt überraschende Einblicke in das Leben des Privatmanns Gehlen, eines vierfachen Familienvaters, der am Starnberger See lebte und im Elternbeirat an der Schule seiner Tochter als Beruf Kaufmann angab. Der sich mit größter Formulierungssorgfalt bei einem Gartenbaubetrieb in Seeshaupt beschwerte, weil die gelieferten Thujen im Vorgarten nicht angegangen waren. Der Schattenmann Gehlen war eben auch Ehemann, Familienvater, Nachbar, Mensch.
Seinem Cousin, dem in der Nachkriegszeit hochgeschätzten Philosophen Arnold Gehlen, machte er weis, das „Charakteristikum“ des von ihm geleiteten Spionagedienstes sei „nicht so sehr das Geheimnisvolle, als vielmehr harte, intensive Arbeit mit gutem geisteswissenschaftlichem Niveau“. Der BND verfüge über zahlreiche „ehrenamtlich mitarbeitende Universitätsprofessoren“, und ob er ihn nicht mal besuchen wolle; der Kollege Carl-Friedrich von Weizsäcker sei auch schon dagewesen. „Die Reisekosten und Unterbringung übernimmt wie immer in solchen Fällen der Dienst“, versichert er seinem „lieben Arnold“ im Mai 1964.
Sechs Wochen später kommt die Reise nach München dann zustande, in den Unterlagen ordentlich als „Besuch in Nikolaus“ für die Zentrale in Pullach kodiert. Die BNDler nannten ihr Hauptquartier intern „Nikolaus“, denn sie waren am 6. Dezember 1947 auf das Gelände der ehemaligen „Reichssiedlung Rudolf Heß“ im Süden Münchens gezogen. Der Ablauf war penibel durchgeplant, von der Fahrt vom Bundesbahnhotel hinaus auf das streng abgeriegelte BND-Areal im Isartal, wo Abteilungsleiter Winterstein eine Stunde über das Lieblingsthema des Chefs referiert, „Weltkommunistische Aktivität und Infiltration“. Danach gibt es ein Mittagessen.
Reinhard Gehlen und sein Cousin waren sich einig, dass der Feind im Osten saß, dass der Marxismus mit allen Mitteln zu bekämpfen sei und dass es traurig um dieses neue, bundesrepublikanische Deutschland bestellt sei. Anders als den Engländern und den Holländern sei den Deutschen die Teilnahme an dem „großen atlantischen Abenteuer“ verwehrt geblieben, mit dem sie wie ihre Nachbarn zur „Herrennation“ hätten aufsteigen können. Die Folge, der Philosoph Gehlen hatte es kurz zuvor im Vortrag eigens ausgeführt: „mangelnde Anständigkeit, die so oft zum moralischen Abbau des Gegners und zu seiner pseudoethischen Demontage greift“.
Ethische Grundsätze sind im Spionagegewerbe eher kontraproduktiv, doch zumindest seiner Familie gegenüber ließ Gehlen es an Anstand nicht fehlen. Das zeigen persönliche Unterlagen aus dem privaten Geheimarchiv: Nach dem Abitur darf Caroline, Tochter des Cousins, „zur Anstellung kommen“; in Pullach arbeitet sie bis zu ihrer Eheschließung als Fremdsprachensekretärin. Dorothea, Gehlens eigene Tochter, bekommt einen BND-Abteilungsleiter zum Ehemann, ein Bruder Gehlens wirkt als BND–Resident in Rom. Schwager, Neffen, Nichten und alte Kriegskameraden, sie finden Arbeit beim Nachrichtendienst in der ehemaligen „Reichssiedlung Rudolf Heß“.
Und sie alle halfen kräftig mit beim „moralischen Abbau des Gegners“. Der stand links und er stand zudem da, wo ein Auslandsnachrichtendienst nichts verloren hatte, nämlich im Landesinneren. Der Gründer hielt sich mit solchen Feinheiten nicht auf; er setzte fort, was er im Krieg gelernt hatte, er machte Jagd auf Kommunisten. Da traf es sich gut, dass viele aus dem riesigen Heer arbeitsloser Berufsoffiziere der geschlagenen Wehrmacht nun neue Beschäftigung suchten. Die fanden sie beim Bespitzeln und wurden nach den Hungerjahren der ersten Nachkriegszeit auch noch sehr ordentlich bezahlt. „Die Organisation Gehlen“ wird die beste denkbare Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Ex-Offiziere und alte Nazis.
Alles muss beobachtet werden in der jungen BRD, alles ist verdächtig
Westdeutschland blieb noch bis in die Sechzigerjahre ein einziges Zonenrandgebiet, in dem sich Spione aller Herren Länder vor dem Eisernen Vorhang herumtrieben. Nicht nur die vier Mächte, die Hitler-Deutschland 1945 besiegen hatten, hielten ein Auge auf die Besiegten, an deren Demokratiesehnsucht man zweifelte. Die „Org“ stand auch im Wettbewerb mit den Landesämtern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Da war zudem der kurzlebige Dienst von Friedrich Wilhelm Heinz, der den Ex-Militärs in Pullach ein Dorn im Auge war, da er für das „Amt Blank“ arbeitete, aus dem das Verteidigungsministeriums hervorging, 1956 übernahm Franz Josef Strauß das Haus.
Alles musste also beobachtet werden, alles war verdächtig. So wie später die junge Bundesrepublik orientierte sich Gehlen nach Westen, allerdings früher und auf andere Weise. Am 9. April 1945 hatte ihn Hitler im Generalstab des Heeres abgesetzt, der Wehrmachtsgeheimdienst „Fremde Heere Ost“ hatte den Kampf gegen die UdSSR überwacht und Material über die Rote Armee gesammelt. Bis dahin hatte Generalmajor Gehlens Auftrag darin bestanden, die politische, ökonomische und militärische Situation des Kriegsgegners auszuspionieren. Der Zweite Weltkrieg tobt noch, als der Generalmajor den Untergang des Dritten Reiches kommen und eine neue Weltordnung heraufziehen sieht. Nachdem seine Dienste vom NS-Regime nicht mehr gebraucht werden, packen er und seine engsten Offiziere sieben Kisten voll mit Akten und Mikrofilmen, vergraben sie in den bayerischen Bergen und verstecken sich dort.
Zwei Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation stellen sich die Hitler-Offiziere den Siegern, Gehlen bietet seine Dienste der US Army an. Der Krieg ist vorbei, die Sowjetunion, eben noch Verbündeter der USA im Kampf gegen Hitler-Deutschland, wird zum neuen Feind. Niemand wisse besser Bescheid über die Verhältnisse in Russland und die Lage der Roten Armee als er, behauptet Gehlen.
In einer hochgeheimen Aktion wird er mit einigen seiner Offiziere nach Fort Hunt im US-Bundesstaat Virginia geflogen. Während in Nürnberg Hermann Göring, Rudolf Heß und Albert Speer mit anderen Kriegsverbrechern vor dem Internationalen Militärgerichtshof stehen, geht Gehlen im US-Vernehmungslager einen Deal mit seinen neuen Freunden ein: Er wird seine Arbeit einfach fortsetzen, im amerikanischen Auftrag und mit amerikanischem Geld. Es beginnt, was Gehlen vorausgesagt hatte: Ein kalter Krieg zwischen West und Ost. Und keiner profitiert davon mehr als der deutsche Generalmajor von der Ostfront.
Die Amerikaner machen den Stabsoffizier der Wehrmacht groß, aber natürlich überwachten sie auch ihn. In den Akten der CIA wird Gehlen unter dem Decknamen UTILITY geführt, was sich am besten als „nutzbringendes Werkzeug“ übersetzen lässt. Ob die „Organisation Gehlen“ für die CIA wirklich von großem Nutzen war, ist noch die Frage. Sie nützte auf jeden Fall ihrem Namensgeber, der als US-Agent zum unkontrollierten Mitregenten der Bundesrepublik aufstieg und so zur Legende wurde.
Nicht wenig zu dieser Legende hat der britische Journalist Sefton Delmer beigetragen, als er 1952 den Lesern der Boulevardzeitung Daily Express zum ersten Mal Enthüllungen unter dem Titel „Hitler‘s general now spies for dollars“ bieten konnte. Gehlen war erzürnt über die Story vom Nazi-General, der gegen Dollars weitermachen durfte und begann sofort mit der Gegenpropaganda: „Ich schlug auf meine Weise zurück, indem ich Kontakte zu führenden Journalisten unterschiedlicher politischer Couleur knüpfte und so dafür sorgte, dass angemessen berichtet wurde.“
Das funktionierte. Die Unterlagen aus Gehlens Nachlass dokumentieren, wie gut die Zusammenarbeit mit bundesdeutschen Journalisten lief, die sich bereitwillig als Zuträger der Pullacher Bruderschaft einspannen ließen. Die wichtigste Verbindung der Gehlen-Truppe bestand schon bald zum Nachrichtenmagazin Der Spiegel, auch dies bestätigen die Unterlagen. Immer wieder rühmt sich Gehlens Dienst in seinen Berichten, wie viele Spiegel-Geschichten man gefüttert, umgeschrieben oder ganz verhindert habe.
Ein „Spiegel“-Redakteur pflegt seinen lebenslangen Hang zum Hochgeheimen
Hans Detlev Becker etwa, lange wichtigster Redakteur und später Verlagsdirektor, schreibt über Gehlen 1954 eine fast schon schmachtende Titelgeschichte, „Des Kanzlers lieber General“. Becker und Gehlen verband der gemeinsame Feind: der Kommunismus, genauer gesagt: die „Rote Kapelle“. Bis er 2014 im Alter von 93 Jahren starb, behauptete Becker, der Gerüchten zufolge zeitweise als BND-Vizepräsident im Gespräch war, ihm persönlich sei es als Funkaufklärer im Dritten Reich gelungen, die Widerstandsgruppe zu enttarnen, deren wichtigste Mitglieder 1942 in Plötzensee hingerichtet wurden. Nach dem Krieg hatte er als Informant bei einem Landesgeheimdienst gewirkt, er bewahrte sich seine lebenslange Liebe zur Welt der Geheimen. In den Gehlen-Papieren werden wenigstens drei weitere Verbindungen in den Spiegel behauptet; das Magazin klagt seit Jahren auf Freigabe dieser Namen.
Einer davon dürfte der ehemalige Wehrmachtsoffizier Hans Schmelz sein, der unter Helmut Schmidt später im Planungsstab des Verteidigungsministeriums angestellt war. Ehe er zum Spiegel kam, hatte auch Schmelz für die „Org“ gearbeitet. Er war, zusammen mit Conny Ahlers, einer der Autoren des Artikels „Bedingt abwehrbereit“, dessentwegen die Redaktion des Nachrichtenmagazins 1962 wegen angeblichen Landesverrats von der Polizei durchsucht und tagelang besetzt wurde.
Verrat, überall Verrat. Für den ehemaligen Wehrmachtsgeneral Gehlen hatte Deutschland den Weltkrieg nur durch Verrat verloren, er witterte auch nach dem Krieg überall Verräter. So war er überzeugt, die „Rote Kapelle“ existiere weiter, ihre vermeintlichen Angehörigen unterwanderten die Bundesrepublik. Für Gehlen zählte der Widerständler Fabian von Schlabrendorff dazu, der von den Nazis gefoltert wurde und seiner Hinrichtung nur knapp entging; 1965 wurde er ans Bundesverfassungsgericht berufen. Gehlen und Globke misstrauten dem Hitler-Gegner und verabredeten einen Lauschangriff, der selbst für die vordemokratischen Zustände der Adenauer-Ära dreist war.
Auch das findet sich im Privatarchiv, dank der Sammelwut des Chef-Aufklärers ist alles dokumentiert. Adenauers Vertrauter Globke verfügte über ein „Minifon P 55 L“, ein Gerät, das Kenner als handlichen „Spion in der Tasche“ schätzten; Gehlen hatte ihm eines geschickt. Als Schlabrendorff im Juni 1957 zu einem Termin im Kanzleramt erscheint, drückt der Staatssekretär auf Aufnahme. Anschließend geht das Band zum Abtippen nach Pullach: „Es darf nochmals betont werden, dass GLOBUS eine schnelle Übermittlung der Niederschrift erwartet.“ Es ist unklar, wofür Globke die Aufzeichnungen nutzen wollte, auch er legte viele Dossiers an. Sein Nachlass ruht in der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin, er ist Journalisten und Forschern nur zugänglich, wenn Globkes Angehörige es gestatten.
Anfang der Fünfzigerjahre wollten die Amerikaner den kostspieligen Gehlen-Dienst loswerden, die Geheimorganisation sollte in die Zuständigkeit der Bundesregierung übergehen. Gehlen fürchtete um seine fast uneingeschränkte Macht, wollte diese durch seinen Kompagnon Globke gesichert sehen und bereitete die Operation sorgfältig vor. Das Einvernehmen der beiden reichte dabei erstaunlich weit. In einem Brief von Anfang 1954 an den „sehr geehrten Herrn Dr. Globke“ heißt es allen Ernstes: „An der von Ihnen beabsichtigten Endlösung sollte – soweit möglich – festgehalten werden.“ Und das, obwohl Gehlen zweifellos wusste, dass sein Kompagnon der Co-Autor des Kommentars zu den „Nürnberger Gesetzen“ war, mit denen eine ganz andere „Endlösung“ eingeleitet worden war.
Der Staatsekretär und der BND-Präsident halten Kontakt zum Nazi Alois Brunner
Aber so sind die Fünfziger- und Sechzigerjahre, in denen die beiden Herren – der eine in Pullach, der andere in Bonn – Westdeutschland mitregieren. Es herrscht noch immer das alte Denken, wenn es gegen den angeblichen Feind geht: Wenn der SPD-Vorsitzende Fritz Erler im Bundestag Gehlen angreift, wird in den Akten und Vermerken in der Sprache der Nürnberger Rassengesetze gemunkelt, dass Erler womöglich „Halbjude“ sei. Bei einem anderen vermeintlichen Gegner wird ein „jüdischer Mischling“ vermutet. Es ist der antisemitische Jargon der Nazi-Jahre.
Einiges von dem, das sich in den zwei Pappkartons findet, entzaubert den großen Geheimen aber dann auch auf ganz andere Art; Gehlen ist am Ende mehr schlapp als Hut. Die Spiegel-Affäre, wegen derer Adenauer den BND-Chef verhaften lassen wollte, überstand er nur knapp. Es ging dem Ruhestand entgegen, er rüstete sich, indem er seinen Wissensschatz hortete und am Ende – wahrscheinlich klammheimlich – mit nach Hause nahm.
So sollte zum Beispiel sicher nicht bekannt werden, dass der BND-Chef Kontakt auch zu wirklich berüchtigten Nazi-Kameraden gehalten hatte. Zu Alois Brunner etwa, der sich bis zuletzt gerühmt hatte, Wien als Mitarbeiter Adolf Eichmanns „judenfrei“ gemacht zu haben; Brunner war nach dem Krieg nach Syrien geflohen, lebte als „Dr. Georg Fischer“ in Damaskus.
Noch im Januar 2015 behauptete die Bundesregierung, von Kontakten Gehlens zu Alt-Nazi Brunner nichts zu wissen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken hieß es: „Unterlagen über Gespräche mit entsprechenden Inhalten konnten nicht festgestellt werden“. Gefragt wurde, wann und wie oft Gehlen mit Globke über Brunner gesprochen habe. Diese Antwort im Bundestag war, auch das belegen die Akten aus Gehlens Privatarchiv, ziemlich kenntnisfrei. Es zeigt sich, dass das braune Gekungel von Gehlen und Globke aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik bis heute von Politik und Medien nicht ausreichend aufgearbeitet wurde.
Denn selbstverständlich hatten Globke und Gehlen wiederholt über Brunner konferiert. Am 14. Januar 1962, so hält der bürokratisch versierte BND-Chef fest, wurde das „Schreiben Nr. 3941/61 VS-Vertr. betreffend Brunner, Alois“ überreicht. Brunner war auch Gegenstand eines Gesprächs Gehlens mit Globke am 19. Januar 1962. Der NS–Massenmörder in Damaskus war da längst Thema, galt es doch, Gefahr von Adenauers Staatssekretär – und damit zumindest aus der Sicht von „Globus“ – von der Bundesrepublik abzuwehren.
Israelische Agenten hatten 1960 den Organisator der „Endlösung“, Adolf Eichmann, in Argentinien entführt und 1961 in Jerusalem vor Gericht gebracht. Nun drohte im Prozess auch der Name des deutschen Staatssekretärs zu fallen, wegen Globkes berüchtigtem Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen. Zwar gelang es, auf Israels Regierung einzuwirken („Generalstaatsanwalt Hausner erklärte mir bereits am dritten Prozesstage, dass für ihn Dr. Globke tabu sei“).
Unerwartet aber meldete sich ein Max Merten, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier, in deutschen Zeitungen zu Wort. Er behauptete, Globke persönlich habe den Transport griechischer Juden von Saloniki nach Auschwitz angeordnet. Der ehemalige SS-Mann Brunner wiederum, der fast mittellos in Damaskus saß, witterte seine Chance und bot sich als Entlastungszeuge für Globke an. Der Dienst war interessiert: Brunners Aussage sei „dringend erforderlich“. Der BND war sogar bereit, den Zeugen aus Damaskus zu entlohnen: „Eine gewisse Unterstützung müsste durch den BND unabhängig davon auf anderen Wegen erfolgen.“
Globke kommt nun wegen seiner Vergangenheit unter Druck. Im August 1961 baut die DDR in Berlin die Mauer, der Kalte Krieg zwischen Ost und West verschärft sich. Ost-Berlin nutzt den weltweit Aufsehen erregenden Eichmann-Prozess für immer schärfere Attacken gegen das „faschistische“ Westdeutschland. Globke fürchtet um seinen Ruf, Adenauer und Gehlen halten zu ihm, der Apparat greift selbst zu Stasi-Methoden: „Staatssekretär stimmte den vorgetragenen Gedanken zu, unabhängig vom Wahrheitsgehalt den Versuch zu machen, aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse Merten als Mittelsfigur der Ostpropaganda herauszustellen.“
Nebenbei offenbart das Material aus den Umzugskartons aber auch Skurriles und Bizarres: Gehlens Sammelwut führt öfters hart an die Grenze zum Verfolgungswahn. Wenn etwa ein badischer Beamter unvorsichtig genug ist, die Ächtung der Atombombe zu fordern, ein Spitzel mitschreibt und den Friedensfreund nach Pullach meldet. Bei der Überwachung von harmlosen Pfadfindern fällt auf, dass deren Chef und „Bundeskanzler“ Hermann von Fleckenstein sein Adelsprädikat „verschweigt“. Über Geld verfüge er auch, und, am schlimmsten, bei der Pfadfinder-Jahrestagung finde eine „Kritik der jetzigen westdeutschen Regierungen zu deren Nachteil“ statt. Und ein Manager, der angeblich eine rechtsradikale Sturmtruppe finanziert, wird so gründlich beobachtet, dass der Spitzel melden kann, der bewusste Herr habe in einem Starnberger Hotel „zwecks sexueller Befriedigung das Gesäß der P. mit einer Peitsche bearbeitet“.
Ungewollt erwirbt sich Gehlens Organisation bei ihrer Arbeit auch Verdienste um die Literaturgeschichte. Der angehende Schriftsteller Reinhard Lettau etwa gelangt rein zufällig in die BND-Akten mit dem Vermerk, dass er „kleine Geschichten“ für die Zeitung schreibt, um sein Studium zu finanzieren, und das auch nur, weil Gehlens Agenten Lettaus Vater observieren („Er besitzt einen Volkswagen“). Wie sollten sie in Pullach ahnen, dass der junge Lettau sich zehn Jahre später wegen der Spiegel-Affäre einer Erklärung seiner Schriftstellerkollegen in der Gruppe 47 anschließen wird, die „die Unterrichtung der Öffentlichkeit über sogenannte militärische Geheimnisse für eine sittliche Pflicht“ halten, „die sie jederzeit erfüllen würden“.
Alles Militärische unterliegt in den Fünfzigerjahren dem besonderen Staatsschutzinteresse. Kanzler Adenauer gründet die Bundeswehr; Theodor Blank, der die Wiederbewaffnung organisiert, zeigt sich „verärgert“ über Wolfgang Abendroth, einen Politologen, der sich gegen die Bundeswehr ausgesprochen hat. Jürgen Habermas nannte ihn später repektvoll einen „Partisanenprofessor im Lande der Mitläufer“. Ein Dossier muss angelegt werden, das die Organisation Gehlen wie ein Sündenregister führt. 1933 sei Abendroth „wegen kommunistischer Betätigung aus dem juristischen Vorbereitungsdienst entlassen“ worden, heißt es da; dass es das Rechtssystem der Nazis war, das den angehenden Juristen verstieß, war egal. 1937 wird er wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu vier Jahren Haft verurteilt; 1943 kommt es noch schlimmer: „Einziehung zum Strafbatl. 999 – desertiert“. Mit der Fahnenflucht aus dem Strafbataillon hatte sich Abendroth beim Ex- Wehrmachts-General Gehlen ganz unmöglich gemacht.
Nach dem Krieg wird der Deserteur Abendroth als Professor für Politik nach Marburg geholt: „Er steht im Ruf sehr weit links zu stehen“, notiert ein BND-Spitzel brav. Der strenge Ton gegenüber Abendroth steht in krassem Gegensatz zum Eifer, mit dem sich andere Wissenschaftler bei Gehlen anbiedern. Da ist der Soziologe Gunther Ipsen, Autor des Buches „Blut und Boden“. Er bietet 1952 Zuarbeit an, Gehlen will das Angebot unbedingt annehmen. Oder Peter-Heinz Seraphim, Ostforscher und Antisemit, man kennt sich noch aus dem Generalstab. Erst wertet er für Gehlen die polnische Presse aus, dann schlägt er seinen eigenen Sohn als Mitarbeiter vor. Gehlen prüft wohlwollend.
Den Sozialdemokraten gilt Gehlens ganz besondere Aufmerksamkeit
Besonders erfolgreich ist der Kontakt zu Hans Leussink, dem Vorsitzenden der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Hart sei der, stolz, ja arrogant, aber den BND halte er „für eine gute Sache“, der sich ein „ehrbarer Staatsbürger“ nicht verschließen dürfe, notieren Gehlens Leute 1961. Acht Jahre später macht Willy Brandt den dienstbaren Professor Leussink zum Bildungsminister der ersten sozialliberalen Koalition.
Der SPD galt Gehlens besondere Aufmerksamkeit. Als Machtstratege hielt er Kontakt zu den Oppositionsführern Kurt Schumacher und Fritz Erler, aber Staatstreue bedeutete für diesen Staatsbeamten vor allem Treue zur CDU, der Partei Adenauers und Globkes. Die SPD hingegen wurde mit äußerstem Misstrauen beobachtet, im Zweifel waren ihre Vertreter immer Kommunisten. Argwöhnisch beäugt Gehlen vor allem Willy Brandt, den damals aufgehenden Stern der Sozialdemokratie. In den Aufzeichnungen in Gehlens Geheimunterlagen taucht immer wieder die Frage auf, ob man Brandt irgendwie diskreditieren könne. Als der Berliner Regierende Bürgermeister die Kanzlerschaft anpeilt und zaghaft mit dem Gedanken an eine Entspannungspolitik spielt, drehen die Kommunistenfresser in Pullach durch: Der amtierende Außenminister wird vom Nachrichtendienst seiner eigenen Regierung beobachtet wie ein Staatsfeind.
Sechs Seiten umfasst der entsprechende tabellarische Schnüffelbericht aus dem April 1968. Es geht um ein Treffen Brandts mit dem italienischen KP-Chef Luigi Longo in Rom. Noch immer herrschte Kalter Krieg in Europa, doch Brandt hoffte bereits auf „Wandel durch Annäherung“, wie das sein Mitarbeiter Egon Bahr nannte, einer der Nachfolger Globkes im Kanzleramt. Dahinter verbarg sich die Hoffnung, über die Kontakte zu westeuropäischen Kommunisten diskret Verbesserungen in den Beziehungen zu den SED-Machthabern in der DDR oder der KPdSU-Führung in der Sowjetunion zu erreichen.
Ende 1967 reisten drei Abgesandte der SPD-Spitze nach Rom und führten Sondierungsgespräche mit KP-Politikern. Den Bericht über den Verlauf dieses Treffens reichte SPD-Informationsdirektor Fried Wesemann an den BND weiter. Das geht aus einem Aktenvermerk vom 6. Februar 1968 an „106 pers.“ hervor, „106 pers.“ ist einer der Tarnnamen des BND-Chefs. In dem Aktenvermerk heißt es, besagter Wesemann verlasse sich „auf eine entsprechende Geheimhaltung“.
Damit bestätigt sich der Jahrzehnte alte Verdacht, wonach Gehlen über einen Vertrauensmann ganz oben an der Spitze der SPD verfügte. Als Autor einer Biografie über Kurt Schumacher schien Wesemann absolut unverdächtig zu sein. Er hatte früher bei der Frankfurter Rundschau und beim Spiegel gearbeitet, aber er stand auch mit den Geheimdiensten auf vertrautem Fuß. Die CIA wunderte sich bereits 1956 über Wesemanns BND-freundliche Berichterstattung – Wesemann sei doch ihr Mann und arbeite für die US-Agenten, offenbar hatte der Journalist länger auch für die Amerikaner gespitzelt.
In den BND-Unterlagen aus dem Gehlen-Bestand werden unter dem Stempel „Streng vertraulich“ weitere Treffen zwischen den Italienern und den Deutschen dokumentiert. Am 31. Januar 1968 schließlich traf sich Brandt, Außenminister und SPD-Chef, in einem römischen Hotel mit KPI-Chef Luigi Longo. Die Unterredung habe eindreiviertel Stunden gedauert. Im Fernschreiben nach Pullach heißt es unter Berufung auf eine nicht namentlich genannte Quelle, Brandt habe die italienischen Kommunisten gebeten, ihren Einfluss in Ostberlin geltend zu machen, um weitere „Konzessionen zumindest humanitärer Art“ zu erreichen. „Es ließe sich auch unter Umständen über eine Anerkennung der DDR reden“, soll Brandt laut Fernschreiben signalisiert haben. Die Quelle in der SPD-Delegation war möglicherweise wieder Wesemann.
Der sonst für seine Geheimpolitik berüchtigte Vatikan zeigte sich im Umgang mit der SPD übrigens wesentlich aufgeschlossener, wie die Spitzelberichte in den Gehlen-Kartons belegen. Bereits vier Jahre vor dem Treffen Brandts mit den italienischen Kommunisten war es zu einer ungewöhnlichen Begegnung gekommen, als Papst Paul VI. eine SPD-Delegation empfangen hatte. Ein Zuträger Gehlens lästerte vorab, „die Herren von der SPD“ hätten wohl die aberwitzige Erwartung, eine päpstliche Audienz sei „so etwas wie eine Sitzung mit dem Heiligen Vater“.
Am Ende war man entsetzt darüber, dass sich der katholische Oberhirte und die deutschen Sozialdemokraten bestens verstanden. Parteichef Fritz Erler habe nach der Ansprache des Papstes sogar eine Rede halten dürfen, in der er zum Wohlgefallen des Kirchenoberhaupts dessen Überlegungen über Glauben und Tugend weiterspinnen konnte. Für die Genossen aus Deutschland erwies sich die Audienz als voller Erfolg. Im BND-Bericht wird eine Quelle im Vatikan zitiert, deren Einschätzung Anlass zu noch größerem Misstrauen gibt: „Warum sollten wir Leute abweisen, die vielleicht morgen in der Regierung sitzen?“ Noch fünf Jahre dauerte es, dann stellte die SPD den Kanzler, es war Willy Brandt.
Der Naturfreund Gehlen hört zur Entspannung Platten mit Vogelgezwitscher
1969 befand sich Gehlen bereits im Ruhestand, bewaffnet mit all den Aufzeichnungen und Notizen, die er und seine Mitarbeiter über die Jahre angefertigt hatten und die nun ans Tageslicht gekommen sind. Die Zeit, die Unmengen an Material zu ordnen, Wichtigstes von Unwichtigem, Banales von Geheimem zu trennen, hatte der 67-jährige offensichtlich nicht mehr gefunden. Deshalb hat er, wenn wohl auch unfreiwillig, der Nachwelt diese seltsame Schatzkiste hinterlassen, die so viel Aufschluss über den geheimnisvollen Chef-Spion bringt und gleichzeitig neue Fragen aufwirft: dass ein BND-Chef, der in einer Villa am Starnberger See nahe München residiert, die Fachzeitschrift Die Yacht abonniert, ist keine Überraschung. Eher schon, dass er sich auch die Naturzeitschrift Kosmos hält und sich, als er die Abo-Gebühren einmal aus Versehen doppelt überwiesen hat, zum Ausgleich vom Verlag drei Langspielplatten „Stimmen einheimischer Vögel“ wünscht.
Was für ein Bild von Reinhard Gehlen entsteht da, dem gefürchteten Gründer des BND und nun Schattenmann im Ruhestand: Einer, der dem Generalinspekteur der Bundeswehr „gehorsamst“ und sicherlich auch beim Diktat strammstehend „meine am 30. März 1962 erfolgte Beförderung zum Generalleutnant der Reserve“ im neuen deutschen Heer meldet, und danach möglicherweise die Langspielplatte Nr. 952 A auflegt und dem Gesang von Teichrohrsänger, Feldschwirl, Gartenspötter und, ganz besonders hingebungsvoll, der Nachtigall lauscht?
Nach dem Ausscheiden aus dem Dienst entschloss sich der Vogel-Freund zu einem Rechtfertigungswerk, das so langweilig ist wie sein Titel: „Der Dienst“. Es schildert Gehlens Werdegang, von Schlesien an die Ostfront und dann zurück nach Oberbayern, wo er sein Archiv in den Bergen vergräbt, um sich damit bei den Amerikanern seine Freiheit und seine neue Karriere zu erkaufen. Für die etwas ausführlichere englische Fassung holte er sich als Ghostwriter den späteren Holocaust-Leugner David Irving. Ihm vertraute er an, dass der Krieg für ihn nie zu Ende gegangen ist.
Noch einmal geißelte der Pensionär die „verbrecherische Ostpolitik“, zu der sich die neue SPD-geführte Regierung unter dem verhassten Willy Brandt entschlossen hatte. Sein eigenes Weltbild hatte sich nicht geändert, als Generalstäbler trauerte er einem angeblich verlorenen Sieg nach: „Hitlers Entschluss, in die Sowjetunion einzufallen, war militärisch und politisch richtig, nur die Art, wie er den Feldzug führte, war falsch.“