Kapitel 3/4

Schmutzige Geschäfte

Kapitel 3

Die stille Epidemie

Ein Arzt schlägt Alarm: Seine Untersuchungen zeigen, wie sehr das Gift aus den Minen noch Jahrzehnte nach dem Ende des Bergbaus Natur und Gesundheit gefährdet.

Für die Kinder der Dörfer ist das Flußbett ein riesiger Sandkasten. Sie begleiten ihre Eltern und Großeltern, die hier schuften. Sie tragen den Giftschlamm ab, der beim Dammbruch ins Tal gespült wurde. Ihr Schaufeln und Sieben wirbelt die giftigen Schwermetallpartikel auf, die die Kinder dann einatmen. Irgendwann landen sie in der Praxis von Edzel Muhi.

Hier sieht der junge Arzt jeden Tag Patienten mit seltsamen Erkrankungen. Bei manchen rasselt die Lunge. Dann sind da die vielen Hautkrankheiten.

Und seit einigen Jahren häufen sich Krebsfälle, vor allem Leukämie.

Muhi wollte es genauer wissen. Er widmete seine Doktorarbeit den Schwermetallen auf Marinduque und den von ihnen ausgehenden Gesundheitsgefahren. Mit seiner Studie aus dem Jahr 2011 wies er nach, wie sehr die giftigen Schwermetalle aus dem Tagebau die Gesundheit der Menschen auf Marinduque noch Jahrzehnte nach dem Ende des Bergbaus bedrohen.

In den kontaminierten Flüssen Marinduques wies Muhi erhöhte Konzentrationen giftiger Schwermetalle nach. Die Kinder, die im Flussbett spielen, hält Muhi für besonders gefährdet.

Da es in den meisten Gegenden keine Brücken gibt, durchqueren die Menschen die Flüsse zu Fuß. Wie die Fischer in der Calancan-Bucht leiden auch sie deshalb unter schmerzhaften Hautirritationen.

sz

Quecksilber und Arsen haben Wilson Manubas Gesundheit ruiniert. Womöglich fänden sich noch weitere Schwermetalle aus dem Bergbau in seinem Körper. Muhi musste seine Untersuchungen aus Kostengründen auf Blei, Arsen und Quecksilber beschränken. Wie verbreitet die Kontamination mit anderen Schwermetallen ist, weiß niemand.

Um besser beurteilen zu können, wie groß die gesundheitlichen Auswirkungen des giftigen Bergbau-Cocktails auf die 230.000 Einwohner Marinduques sind, fordert Muhi umfassende Studien. Doch für die fehlt das Geld.

Bereits 1997 ergaben erste Bluttests bei einer Gruppe von 59 Schulkindern, die in Dörfern entlang der Calancan-Bucht lebten, durchweg erhöhte Bleiwerte.

Die Weltgesundheitsorganisation schreibt über die Auswirkungen von Blei auf den menschlichen Körper: “Blei beeinträchtigt die kindliche Gehirnentwicklung, was zu einem verringerten Intelligenzquotienten, einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne, zunehmend antisozialem Verhalten und reduziertem Lernvermögen führt. Bleibelastungen können außerdem zu Anämie, Bluthochdruck, Nierenschäden, Vergiftungen des Immunsystems und der Geschlechtsorgane führen.“

Drei der untersuchten Kinder starben später an Bleivergiftungen.

Die philippinische Regierung verhängte 1997 den Notstand über die Calancan-Bucht. 14 Jahre später nahm Muhi Blutproben von 356 Testpersonen, die entlang der Bucht leben. 

sz

Muhi spricht von einer stillen Epidemie, weil die Gesundheitsschäden zwar weit verbreitet sind, aber durch Schwermetalle erst mit langer Verzögerung auftreten. Wer etwa kontaminierten Fisch isst, wie die Menschen an der Calancan-Bucht, sammelt die Giftstoffe mit der Zeit im Körper an. Bis es dadurch möglicherweise zu Krebs oder anderen Erkrankungen kommt, vergehen nochmals Jahre.

Muhi geht von einer hohen Dunkelziffer von Betroffenen aus. “Viele Leute gehen erst zum Arzt, wenn ihr Zustand lebensbedrohlich ist – vor allem die Armen. Eine Untersuchung jedes Einzelfalls auf Schwermetalle ist zu teuer.”

Unmittelbar sichtbar werden die Schäden häufig bei Neugeborenen. Embryos, die bereits im Mutterleib Schwermetallen ausgesetzt sind, gelten als besonders gefährdet. Bei ihnen können körperliche Fehlbildungen auftreten. Muhi beobachtet vermehrt Fälle von Mikrozephalie, einer seltenen Fehlbildung, die den Kopf schrumpfen lässt und die Fähigkeiten der Kinder stark einschränkt. Muhi macht dafür Quecksilber-Vergiftungen der Mütter verantwortlich.

sz

Die Geschädigten auf Marinduque wehren sich. Sie lehnen sich gegen einen womöglich übermächtigen Gegner auf.

Diese Geschichte teilen: