Tanz im Mai

Tanz im Mai

FC Bayern München

Es gibt sicher Spieler, die Corona schlechter zu nutzen wussten als Robert Lewandowski. Der Stürmer des FC Bayern München (1. Platz/55 Punkte) wurde zum zweiten Mal Vater. Er präsentierte auf Tiktok ein paar Dance Moves, in denen eine Geschmeidigkeit zu erkennen war, wie sie dem manchmal spröde wirkenden Angreifer nicht viele zugetraut hatten. Seine Tanzeinlagen dürften all den Verteidigern der Bundesliga auch eines deutlich gemacht haben: Lewandowski ist wieder fit, wahrscheinlich ist er sogar in der Form seines Lebens, was bei vielen oft nur Angeberei ist. Bei Lewandowski ist es die Wahrheit. Im Sommer wird er 32, bisher hat er es geschafft, mit jedem Jahr torgefährlicher zu werden. In der Hinrunde traf er an jedem der ersten elf Spieltage, 16 Tore erzielte er dabei, die ersten Hochrechnungen hatten ihm 50 Saisontore prophezeit. Dann aber traf Lewandowski hin und wieder gar nicht, Ende Februar verletzte er sich am Schienbein, fünf Spiele Pause. Dann aber pausierte auch die Liga, Lewandowski verpasste nur zwei Partien. 25 Tore hat er in bislang in 23 Ligaspielen erzielt, vieles erscheint wieder möglich. Um den Uraltrekord von Gerd Müller (40 Tore) zu erreichen, müsste Lewandowski seine Quote aus der Hinrunde nur leicht aufpeppen. Er bräuchte gerade mal geschmeidige 15 Tore aus neun Spielen. Benedikt Warmbrunn

Den Funken finden

Den Funken finden

Borussia Dortmund

In der 57-Jahre-Tabelle der Bundesliga liegt Borussia Dortmund (2./51) auf Platz zwei. Wie alle Tabellen, so kann man auch diese sog. ewige Tabelle so interpretieren, wie man möchte; aus Dortmunder Perspektive erfreulich ist der solide 343-Punkte-Vorsprung auf Schalke oder auch, dass Hoffenheim mit dem bösen Mäzen Dietmar Hopp erst 24 Plätze weiter hinten kommt (allerdings trennen die Hoffenheimer nur noch drei Punkte von Uerdingen). Weniger schön aus BVB-Sicht ist, dass man knapp 1000 Punkte hinter dem FC Bayern liegt (okay, es sind nur 885). Die wichtigste Zahl findet sich aber in der ewigen Heimtabelle: 1797 Punkte hat der BVB im Signal-Iduna-Park geholt (besser bekannt unter dem Mädchennamen „Westfalenstadion“), und man darf vermuten: So viele werden es in der Restrunde nicht mehr ganz werden. Der BVB ist ein historisches Experiment, nun wird sich zeigen, wie groß der Einfluss des Publikums tatsächlich ist: Die gelbe Wand – Europas größte Stehplatztribüne, 40 Meter hoch, 37 Grad steil – wird eine leere Wand sein. Generationen von Reportern haben schon den „Funken“ gesehen, „der von den 25 000 aufs Feld überspringt“, aber nun müssen die Spieler den Funken selbst entzünden – erst gegen Schalke und anschließend gegen einen Verein, der in der ewigen Tabelle fast 1000 Punkte Vorsprung hat. Christof Kneer

Heiße Eisen

Heiße Eisen

RB Leipzig

Bleibt er? Geht er? Es gab Zeiten, da waren diese Fragen bei RB Leipzig (3./50) vor allem mit Timo Werner verknüpft, doch in den vergangenen Monaten haben nicht nur die Zukunftspläne des 24-Jährigen für Gesprächsstoff gesorgt. Denn die Dienste von Dayot Upamecano weiß man in Leipzig mindestens genauso zu schätzen, der Abwehrhüne schaffte im Februar etwas, was nur wenigen gelingt: Robert Lewandowski mit ständiger Gegenwehr zu nerven. Wer Bayern ärgert, wird traditionell mit einem Wechsel zu den Münchnern in Verbindung gebracht; 60 Millionen Euro soll die Ablösesumme des Franzosen betragen, der noch ein Jahr an die Sachsen gebunden ist. Und die haben wenig Lust, ihn ziehen zu lassen – noch weniger aber, ihn 2021 für lau abzugeben. Folglich wird sich der 21-Jährige schon bald entscheiden müssen, sein Berater hat allerdings schon durchblicken lassen, dass ein Transfer in diesem Sommer unwahrscheinlich ist.

Gegen Freiburg am Samstag wird der Nationalspieler gelb-gesperrt fehlen, aber die Marschrichtung der Leipziger ist klar: „Diese neun Spiele sind wie eine EM, und die wollen wir gewinnen“, sagte Trainer Julian Nagelsmann. Und es ist davon auszugehen, dass im Turnierverlauf Timo Werners Wechsel-Ideen dem Kollegen Upamecano wieder Konkurrenz in Sachen Gesprächsstoff machen. Saskia Aleythe

Durchgespült

Durchgespült

Borussia Mönchengladbach

Dass die Kollegen zur Not auch ohne Denis Zakaria auskommen, haben sie bewiesen. Nur sah kaum jemand zu. Hat Borussia Mönchengladbach (4./49) doch seit dem 11. März einen Titel exklusiv, der da lautet: Erster Geisterspiel-Sieger in der Bundesliga-Historie! Beim 2:1 im Nachholspiel gegen Köln fehlte ja bereits das Publikum, aber eben auch Zakaria. Steht er auf dem Rasen, hat Borussia mehr Wucht, mehr Autorität, das ist unstrittig, und das fiel längst anderswo auf. Mancher sah den 23-Jährigen schon als neuen Gladbacher Rekordtransfer mit Perspektive England, Premier League (bislang: Granit Xhaka, 2016 für 45 Millionen zum FC Arsenal).

Nun aber hat sich krisenbedingt nicht nur die Lage am Markt geändert, sondern auch in Zakarias linkem Knie. Und das kam so: Zakaria hat ein Helfersyndrom, das heißt, er ist dieser seltene Profi vom Typ Überall – und Anfang März gegen Dortmund stand er im Weg. Mal nicht dem Gegner, sondern dem eigenem Torwart, Yann Sommer. Klassischer Betriebsunfall unter zwei Schweizern – relativ kleiner Torwart senst relativ großen Spieler um. Am Knie sei etwas arthroskopisch „gespült“ und „sauber gemacht“ worden, hat Gladbachs Manager Eberl jüngst bedauernd mitgeteilt. Kein leichter Weg also: Gladbach will in die Champions League, und Zakaria geht an Krücken. Klaus Hoeltzenbein

Mist, Käse, Lauterbach

Mist, Käse, Lauterbach

Bayer Leverkusen

Es ist allgemein bekannt, dass Rudi Völler ein gutmütiger, freundlicher und großzügiger Mensch ist, es ist aber auch allgemein bekannt, dass er das nicht immer ist. Ein Fernsehabend mit Rudi Völler kann also dadurch unterhaltsam werden, dass ihm das Programm nicht zusagt und er dies auch zum Ausdruck bringt. Der Sportchef von Bayer Leverkusen (5./47) ist in der Vergangenheit nicht nur durch Beschimpfungen von Referees aufgefallen, sondern auch durch Beschimpfungen von „Tatort“-Kommissaren. Durch die unvergessliche „Mist, Käse, Scheißdreck“-Rede (Reykjavik 2003) weiß das ganze Land, was passieren kann, wenn Völler zornig wird, weshalb sich jetzt jeder vorstellen kann, was in seinem Wohnzimmer passiert ist, als ihm zuletzt auf seinem Fernseher ständig der Politiker Karl Lauterbach mit seinen nasalen Reden gegen den Profifußball und dessen Medizinkonzept begegnete. Dem Kölner Stadt-Anzeiger erzählte Völler jetzt, er informiere sich gern durch Talk-Shows über das Zeitgeschehen, nicht aber, wenn der „Gesundheitsexperte“ Lauterbach die Informationen verbreite. „Schlicht und ergreifend populistisch“ seien dessen Aussagen und Motive gewesen, schimpfte Völler unter anderem. Eine Beschwerde beim örtlichen Bundestagsabgeordneten kommt freilich nicht in Frage. Lauterbachs Wahlkreis ist: Leverkusen und Köln IV. Philipp Selldorf

52 englische Wochen

52 englische Wochen

Schalke 04

Hätte man am Abend des 4. Februar gegen 22 Uhr die 50 000 Schalker im Stadion gefragt, wen Trainer David Wagner auswechseln sollte, um das 0:2 von Schalke 04 (6./37) im Pokal gegen Hertha zu drehen, dann hätten 49 998 Schalker vermutlich empfohlen, bei Daniel Caligiuri den Anfang zu machen. Dessen vergebliche Läufe mit Ball am rechten Flügel erweckten den Verdacht, als ob er ein Jahr mit 52 englischen Wochen durchgespielt hätte. Wie die Müdigkeit in Person sah er aus. Aber dann wechselte Wagner nicht Caligiuri aus, sondern die jungen Boujellab und Kutucu, und natürlich war es wenig später Caligiuri, 32, der nach tollen Alleingängen das Anschlusstor erzielte und den Ausgleich vorbereitete. Auch typisch war es, dass der Held des Abends in der Verlängerung verletzt vom Platz geleitet werden musste. Diagnose: Das war’s wohl mit der Saison. Nächste Diagnose: Das war’s wohl mit der Schalke-Karriere – der Verein hatte bis dahin wenig Neigung gezeigt, den auslaufenden Vertrag zu verlängern. Womöglich ändert sich das aber jetzt, denn wie wichtig der angeblich entbehrliche Caligiuri fürs Schalker Spiel ist, hat man gesehen, als er fehlte. Außerdem trifft es sich ausgezeichnet, dass er rechtzeitig zum Derby in Dortmund fit ist – Derbyspezialist ist er, im Vorjahr Doppeltorschütze, nämlich auch noch. Philipp Selldorf

Eine Frage des Timings

Eine Frage des Timings

VfL Wolfsburg

Interne Testkicks sind gefährlich, beim VfL Wolfsburg (7./36) hat es in der vergangenen Woche Mittelfeldspieler Yannick Gerhardt (im Bild) böse erwischt. Der trug aus dem Kopfballduell mit dem eigenen Kollegen mehrere Frakturen im Gesicht davon. Den Namen des Spielers, der mit Gerhardt kollidierte, veröffentlichte der VfL lieber nicht, doch wie konnte der Trainingsluftkampf so schwerwiegend missraten? Er sehe bei seinen Spielern pausenbedingt natürlich Unterschiede beim Timing, erklärte Trainer Oliver Glasner: „Die Jungs konnten das ja acht Wochen lang nicht machen.“

Bitter für Glasner, war Gerhardt für den Neustart am Samstag in Augsburg doch fest eingeplant. Im Mittelfeld fällt bereits Kapitän Josuha Guilavogui (Knieverletzung) aus, auch Top-Angreifer Wout Weghorst ist gelbgesperrt absent. Trotzdem sollen drei Punkte her: Wolfsburg hat in dieser seltsamen Spielzeit noch etwas vor, will sich erneut direkt für die Europa League qualifizieren; wie in der vergangenen Saison unter Bruno Labbadia, der nach dem größten Erfolg der vergangenen fünf Jahre (und zwei Fast-Abstiegen in der Relegation) in Unstimmigkeit mit Manager Jörg Schmadtke gehen musste. Nun liegt es an Glasner, Platz sechs zu schaffen. Dort steht aktuell Schalke, ein Endspiel kündigt sich an: Beide Klubs treffen am vorletzten Spieltag aufeinander. Carsten Scheele

Schweigsch! Übsch!

Schweigsch! Übsch!

SC Freiburg

Von Christian Streich weiß man, dass er sich mit fast allen Dingen des Leben auskennt. Philosophische Leitgedanken („Mir müsse net g’winne, was wir müsse, isch sterbe“) sind von ihm ebenso überliefert wie trainingswissenschaftliche Theorien („Spielsch! Übsch!“) und religiöse Sentenzen („Der eine holt Kraft aus dem Gebet, der andre aus der Badewanne“), und selbst im Medizinsektor gilt Streich inzwischen als Kapazität („Man verändert sich immer, man hat ja Stoffwechsel“). Insofern war es mindestens höggschd erstaunlich, dass der Trainer des SC Freiburg (8./36) zuletzt so ruhig gewesen ist. In keiner Abend-Talkshow hat er sich zu den sozialen und gesellschaftlichen Folgen von Coronavirus und Lockdown vernehmen lassen, niemals saß er neben Karl Lauter- oder Wolfgang Bosbach. Man solle „net überall sein Senf dazu gebe“ und „die Experte mache lasse“, sagte er einmal und ließ offen, ob er mit Experte auch Karl Lauterbach meint.

Heute weiß man: Streich ist der Zeit wieder mal voraus gewesen. Er hat das Leise-Sein schon mal geübt, diese Erfahrung wird ihm zugute kommen, wenn er nun mit Maske coachen muss. Bei strittigen Entscheidungen wird er seinen Lieblingssenf dazu geben und „Was machet ihr mit uns kleine Freiburger?“ in die Maske brummen. Ansonsten wird er die Experte mache lasse. Christof Kneer

Im Fokus der Welt

Im Fokus der Welt

TSG Hoffenheim

Man hat es schon fast wieder vergessen, aber es gab tatsächlich einen Moment während der Pandemie, da stand die TSG Hoffenheim (9./35) im Fokus der, naja, Weltöffentlichkeit. Zumindest hat sich der Besitzer des Klubs, Milliardär Dietmar Hopp, Mitte März auf der Klub-Homepage dazu geäußert, ob US-Präsident Donald Trump eine von Hopps Firmen, die an einem Corona-Impfstoff forscht, wohl in die USA locken wolle. Bis in die Berliner Politik ging der Vorgang um Hopp und Trump, ganz aufgeklärt wurde er bis heute nicht, das Thema verschwand wieder, weil die Entwicklung eines Impfstoffes Zeit braucht, und mit Fußball hatte es sowieso mal gar nichts zu tun (Aber das hatten die Fan-Rüpeleien gegen Hopp auch nicht). Es wurde also ruhig um Hoffenheim – was auch daran liegt, dass der Klub sportlich und wirtschaftlich wenig zu befürchten hat. Selbst ohne Zuwendungen von Hopp haben sie sich in Sinsheim dank diverser Transfers ein ordentliches finanzielles Polster zugelegt. Nun spielt die TSG am Samstag zu Hause gegen Hertha BSC und muss sich dabei an ein Hygienekonzept halten, das der Teamarzt des Klubs, Thomas Frölich, in einem SZ-Interview gerade kritisch beurteilt hat. Er findet, dass Spieler Masken tragen sollten – und dass die Saison bei mehreren Team-Quarantänen sowieso beendet werden muss. Martin Schneider

Jugend forsch

Jugend forsch

1. FC Köln

Viele Menschen haben sich in den vergangenen Jahren vergeblich den Kopf darüber zerbrochen, wie man nachhaltig sportlichen Erfolg zum 1. FC Köln (10./32) zurückbringen könnte, der 2018 als Europapokal-Teilnehmer abgestiegen war. Trainer Markus Gisdol kam vor ein paar Monaten auf eine recht naheliegende Idee: Einfach ein paar talentierte Spieler aufstellen, die man nirgends einkaufen muss, weil sie ohnehin schon da sind. Mit Noah Katterbach, 19, Ismail Jakobs, 20, und Jan Thielmann (im Bild), 17, in der Startelf schlug der FC im Dezember als Tabellensiebzehnter Leverkusen im Derby mit 2:0 und gewann danach sieben von zehn Spielen. Nun, nach der Saisonunterbrechung, soll es offensichtlich mit den gleichen Protagonisten weitergehen – und das gerne noch lange. Der Vertrag mit Linksverteidiger Katterbach, seit seinem siebten Lebensjahr im Verein und Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten deutschen U1 7-Nachwuchsspieler 2018, wurde während der Unterbrechung bis 2024 verlängert. Und weil die Idee mit dem Nachwuchs System haben soll – vielleicht auch, weil die DFL für den Spielbetrieb der restlichen Saison einen großen Kader empfiehlt –, wurden gleich noch zwei Jugendspieler mit Profi-Verträgen ausgestattet: Robert Voloder und Tim Lemperle. Sebastian Fischer

Fast wie Jane Fonda

Fast wie Jane Fonda

1. FC Union Berlin

Rafal Gikiewicz, Torwart des 1. FC Union Berlin (11./30), hat in seiner ersten Bundesligasaison einiges zur Belustigung der Gemeinde beigetragen. Analog und virtuell. Im Stadion An der Alten Försterei in Köpenick unterband er im Derby gegen Hertha einen Platzsturm der eigenen Ultras, indem er sie unter deutschen und polnischen Flüchen zurück auf die Stehplatzränge schubste. In der Quarantäne ließ Gikiewicz, 32, die Erinnerung an die Aerobic-Videos von Jane Fonda aus den 80er Jahren aufleben, probierte sich etwa mit einem Wischmopp am Stabhochsprung über die Sofalehne, oder er schleuderte als imaginärer Hammerwerfer mehrere Klopapierrollen durchs heimische Wohnzimmer.

Apropos Hammer: Ein Engagement bei West Ham United, den so genannten Hammers, schlug er nach eigenen Angaben aus. Das wurde bekannt, nachdem er verkündet hatte, Union verlassen zu wollen. Er habe in den Gesprächen mit Union nicht das Gefühl gehabt, „dass der Klub seinen besten Spieler behalten will, was ich nicht verstehe“. Der „beste Spieler Unions“ steht am Sonntag einer Herausforderung gegenüber, die mit seiner Selbsteinschätzung perfekt korreliert. Beim Gegner FC Bayern führt Gikiewicz’ polnischer Landsmann Lewandowski den Angriff an – der beste Stürmer der Bundesliga. Javier Cáceres

Steh auf!

Steh auf!

Eintracht Frankfurt

Als Fredi Bobic noch für den VfB Stuttgart stürmte, nahm er 1997 mit seinen Mitspielern Marco Haber und Gerhard Poschner eine CD auf, die leider in Vergessenheit geraten ist: „Steh auf“ hieß dieses Früh- und auch Spätwerk der Band „Das Tragische Dreieck“. Aus dem selbstironischen Blödelbarden ist längst ein gewiefter Vereinsfunktionär geworden, an seinem verschmitzten Lächeln ist aber weiter der frühe Bobic zu erkennen. Und dieser hat auch seinen eigenen musikalischen Appell nicht vergessen: Er steht auf und ein für das, was ihm wichtig ist. In der Bundesliga-Pause hat der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt (12./28) sich dabei so klar positioniert, dass er sogar die sonst omnipräsenten Funktionäre der Liga – den Dortmunder Watzke und den Münchner Rummenigge – aus den Schlagzeilen verdrängte. Immer wieder betonte Bobic, wie wichtig es sei, die Saison zu Ende zu spielen, und auch, dass die Liga dazu berechtigt sei. Die Rolle als Klassensprecher hat sich Bobic erarbeitet, kaum einer hat zuletzt so geschickt transferiert wie er. Doch darin liegt auch die Gefahr: Er muss aufpassen, dass er nicht in die Historie eingeht als der Manager, der im einen Sommer 100 Millionen Euro einnimmt, ein paar Monate später zur Stimme der Liga wird – und im nächsten Sommer absteigt. Benedikt Warmbrunn

Tränen fürs Becken

Tränen fürs Becken

Hertha BSC

Es ist noch immer nicht restlos geklärt, was Salomon Kalou ritt, als er mit seinem Handy live ins weltweite Netz Einblicke in das Innenleben von Hertha BSC (13./28) gab. Zur Erinnerung: Er legte per Amateurvideo bloß, dass die Profis bei Hertha ihre Gehaltsabrechnungen lesen und verstehen; ein Abrechnungsfehler hatte sie um jeweils ein paar Tausende Euros gebracht. Und er enthüllte auch, dass die Hertha-Profis nicht alle Rituale, zum Beispiel den gewohnheitsmäßigen Gruß per Handschlag, ablegen konnten. Es gab einen Aufschrei in der Liga und in der Politik, veritable Minister und Länderregierungschefs prügelten auf den in Berlin überaus beliebten Stürmer ein. Als er zur Rede gestellt wurde und ihm wohl auch vermittelt wurde, dass er das System Neustart in Gefahr gebracht hatte, soll er so sehr geweint haben, dass man mit seinen Tränen das Olympiabecken hätte füllen können. Kalou, 34, wurde von Hertha umgehend vom Trainings- und Spielbetrieb suspendiert. Und so war er nun auch nicht dabei, als die Hertha das Mannschaftstraining aufnehmen konnte.

Wo er sich gerade aufhält, ist ein Rätsel. Ebenso, ob er Erleichterung darüber verspürt, dass die Liga doch startet, Hertha übrigens in Hoffenheim. Und erst recht, ob er sich die Partie nun anschaut und seine Eindrücke streamt. Javier Cáceres

Stangenmännchen

Stangenmännchen

FC Augsburg

Als Heiko Herrlich im März einen Vertrag als neuer Trainer des FC Augsburg (14./27) unterschrieb, da ahnte er noch nicht, wie kompliziert seine Aufgabe werden würde. Er soll ja zum Beispiel etwas daran ändern, dass der FCA das zweikampfschwächste Team der Liga ist. Doch dann musste er wochenlang Zweikampfverhalten schulen, ohne im Training mit Kontaktverbot überhaupt Zweikämpfe üben zu dürfen. Er habe zum Beispiel Stangenmännchen zur Hilfe genommen, erklärte er. Herrlich musste außerdem seine Spieler kennenlernen, ohne ihnen die Hand geben zu dürfen. Gespräche im Videochat wollte er dafür aber nicht führen, da hätten die Profis bestimmt „keinen Bock“ drauf, sagte er.

Nicht so einfach alles also. Nun klappt es, 67 Tage nach seiner Vertragsunterschrift, noch nicht mal, gegen Wolfsburg erstmals als Augsburger Trainer bei einem Spiel an der Linie zu stehen. Herrlich hat sich mit einem Kurzeinkauf im Supermarkt für Zahnpasta und Hautcreme, von dem er auch noch eigens berichtet hat, selbst rausgenommen. Verstoß gegen die Quarantänebestimmungen, die Strafe der DFL folgte prompt. Herrlich zeigte sich reumütig: "Ich bin meiner Vorbildfunktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden." Vielleicht klappt es ja am nächsten Spieltag zum Gastspiel auf Schalke. Sebastian Fischer

Verflixte Neun

Verflixte Neun

FSV Mainz 05

Achim Beierlorzer ist an keinem Neunten geboren, er hat als Spieler auch nicht neun Bundesligaspiele bestritten (eher so: null), und von einer Lieblingszahl ist nichts bekannt. Es ist also womöglich Zufall, dass die „Neun“ diesen Trainer durch diese Saison verfolgt. So vergingen nur neun Tage, bis Beierlorzer nach seiner Entlassung als Kölner Trainer (am 9. November übrigens) beim Konkurrenten FSV Mainz 05 (15./26) anheuerte. Und nun haben sich die Mainzer bei der DFL darüber beschwert, dass ihr Trainer Beierlorzer nur neun Trainingseinheiten zur Verfügung habe, um sein Team für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs zu präparieren. Wie die Bremer, so hätten auch die Mainzer gerne den späteren Neustart-Termin genommen, aus einem einleuchtenden Grund: Sie sind immer noch eine kleine, kompakte Mannschaft, die viel Training braucht. Mainz gewinnt nicht wegen der atemberaubenden Technik seiner Spieler, sondern weil die Spieler fit sind und weil in der Viererkette die Abstände stimmen (nicht zu verwechseln mit: social distancing/Anm. d. Red.). Mit einer guten und einer schlechten Nachricht zieht Mainz nun in den Schlussspurt, hier erst die schlechte: Die wichtige Nr. 9 (Mateta) fehlt zum Auftakt gesperrt. Die gute Nachricht: Es fehlen nur neun Punkte bis Platz neun. Christof Kneer

Legenden im Autokino

Legenden im Autokino

Fortuna Düsseldorf

So wünscht man sich kein Jubiläum. Ein stiller Gruß an der Rathauswand: „Die Stadt Düsseldorf gratuliert der Fortuna.“ Ein nächtens rot und weiß leuchtender Kühlturm des Kraftwerks im Stadtteil Flingern. Die Klubdoku „Fortunas Legenden“ im provisorischen Autokino auf dem Stadion-Parkplatz mit Fans eingepfercht in PKWs. Das Jubiläums-Theaterstück verschoben, die Uraufführung des Jubiläumsfilms im Open-Air-Kino ungewiss. Immerhin zeigen die Klebebildchen fürs Fortuna-Panini-Album vorbildlich Haftung. Getragen wird das Jubiläum „125 Jahre Fortuna Düsseldorf“ von der Hoffnung auf den Klassenerhalt. Am Samstag zieht Fortuna Düsseldorf (16./22) in den Geisterabstiegskampf, es kommt gleich Schlusslicht Paderborn. Fußball vor leeren Rängen hat im emotionalen Düsseldorf immerhin den Vorteil, dass keine euphorisierten Fans aufs Spielfeld stürmen können – wie 2012 in der Relegation gegen Hertha. Überall in der Stadt prangt die Zahl „125“ wie ein Code der Hoffnung. Als einzigen noch aktiven Fußballer wählten die Leser der Lokalzeitung neben Legenden wie Toni Turek, Gerd Zewe, Paul Janes oder Klaus und Thomas Allofs den Mittelfeldspieler Oliver Fink in die Jubiläums-Elf. Doch ausgerechnet Fink fehlt gegen Paderborn – als frischer Vater eines Buben. Ulrich Hartmann

Lebe deine Stärken

Lebe deine Stärken

Werder Bremen

Was die Außendarstellung angeht, ist der Werder Bremen (17./18) kein Abstiegskandidat. Erst hat Vorstandschef Klaus Filbry wie kaum ein anderer Kollege die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise für seinen Klub transparent gemacht. Dann hat Aufsichtsratschef Marco Bode der DFL-Idee heftig widersprochen, wonach bei einem vorzeitigen Saison-Abbruch die beiden Letztplatzierten absteigen. Und Manager Frank Baumann hat dem Trainer Florian Kohfeldt zwei neue Helfer zur Seite gestellt: den Mentalcoach Jörg Löhr und den Psychologen Mathias Kleine-Möllhoff.

Während Kleine-Möllhoff die Profis als „Life-Coach“ begleitet, soll der frühere Handballer Löhr (im Bild), 58, mit seiner Erfahrung die Fußballer stärken. Er hat schon Bücher geschrieben, eines heißt: „Lebe deine Stärken“. Vor allem hat er Werder schon mal aus der Patsche geholfen. 2011 standen die Bremer unter Thomas Schaaf auf einem Abstiegsplatz, die Rettung gelang. Nun soll er eine Elf, die acht Punkte vom 15. Platz entfernt ist, befreien. Dabei ist sein Lieblingsklub der Konkurrent FC Augsburg.

Trainer Kohfeldt will in den kommenden Wochen aber auch auf sein Bauchgefühl hören. Er überlegt etwa, ob man in den englischen Wochen mal mit zwei total verschiedenen Aufstellungen aufläuft. Wegen der nötigen Frische. Jörg Marwedel

Glattrasiert

Glattrasiert

SC Paderborn

Steffen Baumgart ist unter die Dichter gegangen. Dabei kennt man den Trainer des SC Paderborn (18./16) sonst eher als leicht kratzigen Prosaisten. Doch auch sein Bart ist ab. Die virtuelle Pressekonferenz vor dem Spiel in Düsseldorf begann der glattrasierte Übungsleiter mit freundlicher Begrüßung und der Aufforderung: „Ich hab’ nicht viel zu sagen und freu’ mich auf Ihre Fragen.“ Weder über das System noch über die Besetzung mochte Baumgart etwas verraten. Paderborn steht unter Druck, weil der gegenwärtige Tabellenletzte bei einem Saisonabbruch klar als Absteiger feststünde. Verzichten müssen die Ostwestfalen auf Innenverteidiger Luca Kilian, der als erster Corona-infizierter Fußballprofi berühmt wurde. Diesmal zwickt ihn bloß ein Muskel. Für Mittelstürmer Streli Mamba hingegen war die unfreiwillige Saison-Unterbrechung ein kleiner Glücksfall. Unter normalen Umständen wäre die Saison für ihn zu Ende gewesen, so konnte er seinen Sehnenriss auskurieren.

Während des Spiels gegen die Fortuna dürfte Baumgart an der Linie aber wieder sehr viel zu sagen haben. Darunter dürfte der Infektionsschutz leiden: „Da ich einer bin, der 90 Minuten durchspricht oder pfeift, wird die Maske bei mir wohl eher nicht so viel zum Einsatz kommen – aber dabei habe ich sie.“Ulrich Hartmann