Es gibt ein Problem. Sie haben Scholles Mutter entkleidet.
Die Beamten hatten einen Verdacht: Dass Scholles Mutter versuchen könnte, Drogen oder Handys ins Gefängnis zu schmuggeln. Also baten sie Scholles Mutter, sich komplett auszuziehen, die Polizei war dabei, womit Scholles Mutter natürlich nicht einverstanden war; wer macht das schon gerne, sich ausziehen, vor lauter fremden Leuten, noch dazu in einer Haftanstalt. Und am Ende war Scholles Mutter eben nackt und sehr wütend, die Beamten auch, und Scholles Mutter fuhr entrüstet noch vor dem eigentlich aus „Kulanz“ verlängerten Besuch nach Hause. Und jetzt kocht Scholle. Ein bisschen Wut kennt er nicht; Scholles Wut ist Godzilla im Porzellanladen.
Scholle kommt aus einer gewalttätigen Gegend, die, sagt Scholle jedenfalls, über ihre Grenzen hinaus bekannt dafür sei, dass ein Teil ihrer Bevölkerung im Gefängnis sitze. Gefängnispatriotismus.
Bis hierher verläuft Scholles Leben nach dem Drehbuch eines schnellgeschnittenen Actionfilms: Er ist ein Ein-Mann-Abrisskommando; Probleme regelt man mit der Faust. Alles hat entweder mit Ehre oder mit Loyalität zu tun, manchmal auch mit beidem – und, ganz ehrlich, hätte jemand draußen versucht, Scholles Mutter gegen ihren Willen zu entkleiden, er hätte von Glück sagen können, wenn er seine Zähne nur vom Bürgersteig hätte aufsammeln müssen. Und sie nicht jemand anders zur Identifizierung hätte aufsammeln müssen.
Scholles Mutter wollte doch nur zu Besuch kommen. Ihren Jungen sehen. Eine Stunde. Denn Scholle sitzt schon eine Weile. 14 Jahre insgesamt. Immer mal wieder draußen, immer mal wieder drinnen. Er hätte nach zwei Dritteln entlassen werden können, das schon, jedenfalls wenn die Prognosen gut gewesen wären, und er sich passabel geführt hätte, aber das war beides nicht der Fall gewesen. Daher hatte Scholle die “Zwei-Drittel” auch nicht bekommen.
Scholle ist so eine Art menschlicher Castorbehälter, wie tief du ihn auch einlagerst, Scholle strahlt trotzdem weiter. Die Sache mit der Wut hat er nicht im Griff. Er lässt sich nichts sagen. Ein Mann bücke sich nicht, sagt er; so ist das mit Scholle. Alles andere hat er dagegen gut im Griff, jedenfalls die Geschäfte. Denn das Problem ist: Scholle hat bis vor Kurzem mit Drogen im Gefängnis gedealt. Scholle sagt nicht „dealen“. Scholle sagt: „Gefallen tun.“
Man könnte meinen, dass Gefängnisse, die mit Stacheldraht, hohen Mauern und Wachen abgeschirmt sind von der Außenwelt, diese Probleme nicht haben: Dealen, Schmuggeln, Drogengeschäfte wie in einem öffentlichen Park. Aber falsch gedacht: Auch Menschen, denen die Freiheit entzogen worden ist, versorgen sich mit allem, was auch draußen
schon illegal ist. Die Anstalten wissen das und rüsten gegen die Dealer. Die Dealer tun das wiederum auch. Wie Scholle.
„Ich würde nie Angehörige benutzen, um Drogen zu schmuggeln“, sagt Scholle, und in seinen Augen spiegelt sich das lange Deckenlicht wie ein Zebrastreifen. „Das würde ich ihnen niemals antun – und das könnte ich mir auch nicht verzeihen, wenn etwas passiert.“ Gut, sagt Scholle: Fünf Gramm, da behielten sie dich ja nicht gleich da. „Bei 15 vielleicht.“ Scholles Freundin findet das mit dem Kiffen nicht so super; aber es sei, sagt sie, immerhin besser als Crystal.
Im Gefängnis gibt es alles. In diesem Punkt unterscheidet es sich nicht von draußen. Gras, Crystal, Heroin. Nur die Preise sind wesentlich höher. Nachfrage und Verknappung der Ware. Marktwirtschaft im Grunde. Je höher der Preis, desto knapper das Gut, sagen die Anstaltsleiter. Daran sehe man, was derzeit gut verfügbar ist. Und obwohl Alkohol auch verboten ist, haben die Häftlinge zu Scholles Geburtstag „Angesetzten“ gemacht: hundertprozentigen Fruchtsaft aus dem Gefängnisladen kaufen, Hefe rein und im ausgespülten Reinigungskanister eine Woche stehenlassen. „Aber das wird weniger“, meint Scholle. „Ansetzen ist umständlich. Crystal & Co. haben das quasi verdrängt.“
Etwa ein Drittel der männlichen erwachsenen Häftlinge ist drogensüchtig. Viele fangen sogar im Gefängnis erst an, weil es langweilig ist oder die anderen es auch machen. Ein Sozialarbeiter sagt: „Rechnen Sie das mal durch: Eine Anstalt mit 1000 Insassen. Sagen wir ein Drittel. Und jeder davon seinen Stoff pro Tag.“ Da werde doch der ganze Wahnsinn schon deutlich: „Wie viel Nachschub brauchen Sie denn da täglich? Diese Mengen können nur Beamte reinbringen.“ Ein Anstaltsleiter sagt dazu nur: „Die Subkultur werden Sie nie austrocknen können. Sie können Drogen bekämpfen, aber gewinnen werden Sie den Kampf nicht. Es wird immer Drogen im Gefängnis geben.“
Sieht auch Scholle so: „Die Beamten haben viel mehr Aufgaben als früher: Die sind mit Papierkram beschäftigt. Die Tage, an denen ich in Haft nicht gekifft habe, kann ich an einer Hand abzählen.“
Tabak in Dosen ist die Standardwährung. Kein Häftling raucht Filterzigaretten, viel zu teuer. Wenn Gefangene nicht arbeiten müssen - nicht in allen Anstalten besteht Arbeitspflicht - oder können, haben sie kaum Geld. Scholle hat etwa 50 Euro im Monat zum Einkauf. Das ist sein Taschengeld. Eine Dose Tabak, Gegenwert: 22 Euro, ist natürlich pures Gold. „In meinem Schrank stehen 40 Dosen“, sagt Scholle.
Scholle sitzt aktuell für Raub, saß auch schon für Betäubungsmittelhandel. Seine Mittäter sind in Freiheit. „Weil ich der Einzige bin, der von unserer Bande noch sitzt, entsteht kein Versorgungsengpass“, sagt Scholle lächelnd. „Wenn ich was brauche, kriege ich es.“
Es gibt zwei goldene Regeln im Gefängnis: Halt dich raus und verschulde dich nicht. Die Neuen wollen rauchen, leihen sich was, eins zu zwei, Kreislauf. „Kriegen die doch nie wieder rein“, sagt Scholle. Dann setzt es Prügel.
Neben seinen Geschäften schreibt Scholle Beschwerden an die Gerichte. 13 Ordner hat er schon voll. Das tut er auch für Mitgefangene, er ist so gesehen Anwalt: „Gefallen tun“, nennt Scholle das – auch dafür gibt es Tabak. Die „Jailhouse Lawyer“ gibt es in jedem Gefängnis. Das Auflehnen gegen Regeln, das Klagen, aber auch das Aufrechterhalten der illegalen Subkultur verschaffen ihnen das Gefühl von Freiheit in der Unfreiheit. Und es ist gut für das Selbstbild.
Wenn Scholle sich selbst beschreiben soll, sagt er: „Ich bin ein zu guter Mensch.“ Scholle hat mit „seiner Bande“ Menschen überfallen. Kaum ein Wort dazu. Seine Gruppe hatte eine Pistole und einen Schlagstock dabei. Wer die Waffen trug: sagt Scholle nicht. Wer die Mittäter sind: sagt Scholle nicht. Scholle, den sie draußen und drinnen wie den Fisch nennen, sagt nur: „meine besten Freunde“.
Die Gefängnisleitung findet, Scholle könne sich ruhig mehr mit sich selbst und seinen Taten beschäftigen, statt den ganzen Tag Beschwerden zu schreiben. Scholle findet, das tue er doch. Aber alles gefallen lassen wolle er sich auch nicht.
„Die ersten zwei Jahre wurde ich von den Beamten nur gefickt“, sagt Scholle über die Anfangszeit im Knast. Er meint: schikaniert. „Aber ich habe gelernt. Und jetzt gebe ich es denen eben richtig zurück.“ Wenn einer Gras bei ihm finde, klagt er, wenn der Beamte bei der Durchsuchung kein Namensschild trug. „Die überlegen sich das zweimal“, sagt Scholle, „ob die bei mir was mitnehmen. Das bedeutet: noch mehr Papierkram.“ Die Anstalt sieht das anders und ließ nach dem letzten Besuch seiner Freundin die komplette Zelle ausräumen.
Das geht immer so weiter, immer hin und her: Erst vor ein paar Tagen musste Scholle zur Disziplinaranhörung, weil er ein Telefon bei sich hatte. Das ist sein Kampf: Scholle gegen Blauwal.
Alte Handys kosten im Gefängnis zwischen 50 Euro (ohne Touchdisplay) und 120 bis 150 (Touchdisplay). Die Mediennutzung ist eigentlich streng reglementiert. Internet ist größtenteils tabu. Es gibt Anstalten, die erlauben Rechner in Schulungsräumen für Wikipedia. Handys sind verboten.
Manche Anstalten haben Telefone auf dem Flur, was für die Häftlinge blöd ist, weil sie kaum ungestört telefonieren können, ohne dass jemand über den Gang läuft. Schwer dann mit der Freundin und so. Manche Anstalten haben Telefone in den Zellen, eingebaut in die Wand. Für sie können sich Häftlinge feste Rufnummern – durch die Anstaltsleitung geprüft – freischalten lassen, sich ein Telefonkonto einrichten und dann auch die ganze Nacht sprechen.
„Wenn die Zelltüren offen sind“, sagt Scholle, „kann man auch gut mit dem Handy telefonieren.“ Das ist in der Regel nicht so teuer wie die Anstaltstelefone. Seien die Türen aber zu, liefen die Beamten mit kleinen Geräten auf dem Flur auf und ab: „Das bemerkt eingehende Anrufe und blinkt dann. Da geht sofort die Tür bei dir auf und dann gibt’s Ärger.“
In der JVA Offenburg gibt es mittlerweile keine Handys mehr. Die Anstaltsleitung hat kurzerhand einen Störsender auf dem Gelände platziert. Und wo kein Empfang, da keine „Mobilfunkkunden“. Inzwischen ist die Rechtsgrundlage dafür in allen Landesgesetzen vorhanden.
Sonst ist Handybesitz in den meisten Gefängnissen eher der Normalfall – ein Sozialarbeiter erzählt: „Da sitzen dann drei Insassen bei unserem Gesprächstermin und man sagt: Jetzt mal Handys auf lautlos, bitte. Dann Schweigen. Dann greifen alle in die Hosentasche.“ Nur wenige haben keins. Die aber sagen: Sei ja auch schön, mal offline zu sein in dieser hektischen Welt.
Scholle hat mehrere Elektrogeräte in seinem Haftraum. Fernseher dürfen jetzt größer sein als die früher erlaubten 19 Zoll; mittlerweile – dank Scholle, sagt Scholle – sind Bildschirmdiagonalen über 40 Zoll erlaubt. „Ich will wirklich keine goldenen Badewannen hier“, sagt Scholle. „Ich hole mir nur, was mir auch zusteht.“
Für die Gefängnisse sind Häftlinge wie Scholle unbequem: Sie stellen Fragen. Sie lamentieren. Sie brechen die Regeln. Und sie infizieren andere mit ihren aufrührerischen Gedanken. Die Haftanstalten halten dagegen.
Scholle hat lange gedealt. Wenn Hofgang war, hätten die Leuten in Trauben vor seinem Gitterfenster gestanden, erzählt er, und wenn ein Beamter gekommen sei, habe einfach jemand geschrien: „Bulle“. „Dann haben wir alles versteckt“, sagt Scholle. „Die Leute decken einander.“
Mit einem Inbusschlüssel hätten er und seine Leute die Abdeckungen von den Lautsprecheranlagen abgeschraubt, das Zeug dahinter versteckt und gelagert. „Die Spürhunde riechen nur in Bodennähe und bis etwa 30 Zentimeter“, erklärt Scholle. Außerdem werden sie oft – gerade in kleineren Anstalten – erst bei Bedarf aus Sammelstellen herbeigeschafft.
Scholle sagt, man konsumiere halt auch sehr offen: „Wir treffen uns in einer Zelle am Ende eines Flures, einer steht Schmiere, dann haben wir eine Plastikflasche und rauchen Eimer“, erzählt er. Gruppen-Kiffen mit einer aufgeschnittenen Einweg-Plastikflasche also. In der Wirkung in etwa so, als würde jemand Ungeübtes den Inhalt einer Holzhackschnitzel-Heizung rauchen. Man riecht das, klar, aber einer passt immer auf und warnt, die anderen sind schnell und das Gras, das Beweismaterial also, weggeraucht oder rasch entsorgt, wenn ein Beamter kommt.
Wenn die Türen abends verschlossen sind, werden Drogen über die Fenster an einem Bindfaden von Zelle zu Zelle gependelt. Der Stoff ist in Alupäckchen verpackt, beschwert und jemand schwingt sie von einem Fenster zum nächsten wie ein Pendel – dort greift einer zu und zieht das Päckchen hinein. Manche Anstalten sind daher so gebaut, dass die Fenster nicht nebeneinander liegen, sondern dass die Fassade quasi gezackt verläuft, die Fenster also jeweils voneinander abgewandt sind. Dann erreicht sie das Pendel nicht mehr.
Manche Häftlinge schössen Drogenpäckchen auch mit Gummibändern aus ihren Boxershorts in die gegenüberliegende Zelle, sagt ein Beamter: „Dumm sind die nicht.“
Die Anstalten versuchen alles, um den Schmuggel zu unterbinden. „Wir lassen auch Babys wickeln und entkleiden“, sagt ein Beamter. „Aber sicher nicht, weil wir Unmenschen sind. Klar, die Väter sind dann auf 180 und drohen mit Klage. Aber kaum ist die Windel runter, finden wir doch ein Handy oder Drogen.“ Das Kind schreie wie am Spieß. Die Mutter auch. „Denken Sie, das macht uns Spaß?“ Die Beamten stehen unter Dauerstress.
Die Klientel sei ja teilweise unverbesserlich, sagt ein anderer – und bestens miteinander vernetzt, weil oft ganze Banden, die sich von draußen kennen, zusammen in einer Haftanstalt sitzen. Wie die Leute aus Scholles Heimatstadt. „Ich kenne immer jemanden“, sagt Scholle. „Das macht es leichter.“
Viele Häftlinge testen zudem die Offenheit der Beamten gegenüber kleinen Gefallen: „Ich frage: Kannst du mir deinen Kugelschreiber leihen?“, sagt einer. „Bei nächsten Mal frage ich nach etwas Größerem. Dann höre ich mir dafür die Sorgen des Beamten an. Es entsteht ein Netz aus Gefällig- und Abhängigkeiten. In jede Richtung. Mann, das ist eine kleine Welt.“
Neben kleineren Gefälligkeiten gibt es wohl auch größere: Immer mal wieder stehen Justizvollzugsbeamte vor Gericht, weil sie Drogen, Alkohol oder Telefone ins Gefängnis geschmuggelt haben sollen. Das sind Einzelfälle, klar, aber hinter vorgehaltener Hand wird berichtet, dies sei durchaus ein gängiger Weg – und die Beamten bekämen gutes Geld dafür. Der Grund sei: Die Beamten hätten ein mieses Gehalt und der Job sei wenig wertgeschätzt.
„Im Endeffekt“, sagt Scholle, „wollen die Beamten nur ihre Ruhe. Die wollen auch mal pünktlich Feierabend machen. Diese Ruhe garantieren wir. Eine Hand wäscht sozusagen die andere“, sagt Scholle. Mit alten Beamten sei der Kontakt leichter. Die drückten auch mal ein Auge zu. „Die neuen“, sagt Scholle, „die jungen Beamten, das sind richtige Hardliner. Die wollen dir erst mal zeigen, wo es langgeht.“ Scholle guckt finster wie die Mündung eines Granatwerfers: „Aber auch die“, sagt er ernst, „verstehen dann ganz schnell: Ohne uns keine Ruhe im Knast.“
Die Anstalt sieht das anders – und macht Razzien. In modernen Gefängnissen nähern sich Beamte durch unterirdische Tunnel und blickdichte Gänge, damit die Häftlinge sie nicht kommen sehen. Bei einer Razzia wird alles kontrolliert: Matratze hoch, Bilder von der Wand, Kugelschreiber aufgeschraubt. Briefe werden auf Drogen durchsucht. Für eine Zelle, die zwischen 8,5 und 9,5 Quadratmeter groß ist, braucht man zwischen zehn und 20 Minuten. Häftlinge erzählen, dass die Beamten dafür – auf die Größe einer Anstalt hochgerechnet – kaum Zeit hätten, und manche Dinge, die sie finden und mitnehmen müssten, lieber mal liegen ließen.
„Dass solche Leidensgemeinschaften entstehen – und auch Abhängigkeiten“, sagt ein Anstaltsleiter, „das ist wohl unvermeidlich. Aber dagegen gehen wir systematisch vor.“ Weil Beamte während ihrer Schichten praktisch mit eingesperrt sind – und auch an der Umgebung leiden –, passen sie sich an. Man nennt die Mitarbeiter einer Haftanstalten deswegen auch: „paid prisoners“. Die Anstalten bemühen sich daher, dass es ihren Mitarbeiter gut geht.
Dann lassen sie sich weniger von Scholle und seinesgleichen auf der Nase herumtanzen. Zum Beispiel: Drogenpakete in die Vagina der Frau oder im Anus eines Freigängers. „Hinknien lassen“, sagen die Beamten, „die müssen sich bücken, dann fällt alles raus, weil der Körper es nicht halten kann.“
Überwürfe über die Mauer. Anstalten haben teils Patrouillenstreifen zwischen den Gebäuden und der Mauer. Dort laufen Beamte, aber die Häftlinge kommen nicht hin.
Neuerdings auch: Drohnen. „Fliegen rüber, werfen ab“, sagt ein Sozialarbeiter. „Vorrangig Handys, weil die bei Besuchen schwerer an den Kontrollen vorbeizuschleusen sind.“
Damit die Häftlinge am Fenster nicht miteinander reden können, werden manche Gefängnistrakte in modernen Anstalten so gebaut, dass sich die Fensterfronten nicht gegenüberliegen. Das funktioniere sonst nämlich wie ein überdimensionales Telefon.
Auch die Post muss meist offen abgegeben oder vor den Beamten ausgeschüttet werden.
Wer erwischt wird, dem drohen Geldstrafen oder Einschluss für eine begrenzte Zeit. Häftlinge nennen es: „den Bunker“. Einschluss ist meist auf 21 Tage begrenzt, in einer gesicherten Zelle. Bei einer Dauer von bis zu vier Wochen heißt er im Justizdeutsch Arrest, länger dauert die Einzelhaft. Weitere Strafmaßnahme: vorerst keine Besuche mehr. Oder nur noch Besuche, wo beide durch eine Scheibe getrennt sind, damit sie nichts mehr austauschen können.
Die Beamtinnen haben bei Scholles Mutter nichts gefunden.
Die gängigste Art zu schmuggeln, das bestätigt auch Scholle am Ende, sei der Besuch: „Drogenpäckchen schlucken und solche Dinge. Klar.“
Bereut Scholle etwas? „Als meine Kinder noch klein waren, hab ich beim Besuch immer gesagt: Papa ist arbeiten. Da haben die das noch geglaubt.“
Als er kurz vor den “Zwei-Drittel” stand und mit einem Fuß schon in Freiheit war, da habe er freudig angerufen und gesagt: „Papa kommt bald nach Hause!“
Dann tat Scholle aber etwas aus Wut, weil er sich wieder nichts gefallen lassen konnte – und landete auf der Hochsicherheitsstation. Er hatte einen Beamten als Geisel genommen.
„War nur Schwitzkasten“, sagt Scholle.
Statt der Lockerung bekam Scholle nur eine Strafverlegung, rüber in eine andere Anstalt. Er nennt es: Steine in den Weg legen. Seine Kinder hätten es anders genannt, sagt Scholle. „Die dachten nur: Papa schwindelt wieder.“
*Name von der Redaktion geändert
Die Recherche zu dem Projekt „Acht Häftlinge“ ist eine Kooperation von Süddeutscher Zeitung, Bayerischem Rundfunk und Correctiv.