• Der Zirkusartist

    Stefan Otega (Arminia Bielefeld)

    • Torhüter
    (Foto: imago)

    Stefan Ortega hat in dieser Saison unglaubliche Reflexe gezeigt. Manchmal konnte man meinen, seine Paraden seien am Computer entworfen worden. Bei Ortega aber ist alles echt. So echt, dass sich auch der THW Kiel für ihn interessieren könnte, der chinesische Nationalzirkus oder Las Vegas für eine Zaubershow. Doch bisher sieht es weiter nach Fußball aus. Ortega, 28, steht bereit als EM-Back-up fürs DFB-Team und gilt dem FC Bayern als Wunschkandidat für die Reserveposition hinter Manuel Neuer. Der Nordhesse, seit 2007 in Bielefeld mit dreijährigem Auslandsaufenthalt bei 1860 München (2014 – 2017), hat in der Saison elfmal sein Tor sauber gehalten und 134 Schüsse pariert, die meisten in der Liga. Falls er zu Bayern wechselt, müsste sich sogar Neuer warm anziehen. Ulrich Hartmann

  • Der Außenbahnläufer

    Christian Günter (SC Freiburg)

    • Abwehr
    (Foto: dpa)

    Es ist eine Kunst, als Freiburger in Freiburg zu bleiben. Meist werden die Besten ja vom „Gott des Geldes“ (Christian Streich) abgeworben, Matthias Ginter z.B. Sein Fast-Namensvetter Christian Günter, 28, hat es aber über Jahre geschafft, sehr gut zu spielen und trotzdem unterm Radar zu bleiben. Seit 2006 rennt der Verteidiger im Breisgau die linke Außenbahn auf und ab, aber er war nie ein Spieler fürs große Publikum. Das ändert freilich nichts an den Leistungen, die sehr gut, sehr dynamisch, sehr kraftvoll und vor allem konstant waren, besonders in dieser Saison. Joachim Löw nominierte ihn spät, aber folgerichtig auf der deutschen Problemposition für die EM. Martin Schneider

  • Der Sondierer

    Matthias Ginter (Borussia Mönchengladbach)

    • Abwehr
    (Foto: imago)

    In seinem ersten Bundesligaspiel, im Januar 2012 für Freiburg, wurde Matthias Ginter, damals 18, in der 70. Minute eingewechselt, und in der 88. erzielte er das Siegtor. Bald reifte er zu einem der besten deutschen Abwehrspieler der Neuzeit heran. Mittlerweile verwundert es niemanden mehr, dass sich der heute 27-Jährige bislang noch nicht entscheiden konnte, seinen 2022 auslaufenden Vertrag in Mönchengladbach zu verlängern. Ginter sondiert lieber noch mal das internationale Interesse. Es wäre das perfekte Alter, um zu einem europäischen Topklub zu wechseln. Sämtliche 3060 Minuten hat er in dieser Saison in 34 Ligaspielen für Gladbach absolviert. Tore hat er aber nur zwei erzielt. Da hat er vor neun Jahren vielleicht doch ein bisschen zu viel versprochen. Ulrich Hartmann

  • Der Notenbeste

    Marvin Friedrich (Union Berlin)

    • Abwehr
    (Foto: dpa)

    An seinem letzten Arbeitstag dieser Saison kam Marvin Friedrich, 25, mit seinem SUV vom Stadion-Parkplatz nicht weit. An der Ausfahrt warteten Union-Fans mit selbstgebastelten Plakaten und hielten ihn auf. „Fußballgott“ hatten sie auf die Zettel geschrieben. Er war der notenbeste Spieler der Köpenicker, überdies schaffte er es mit fünf Toren und zwei Assists in die Top Ten der „Scorer“ bei Union. Das ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil er Zeit genug hatte, sich in die Nesseln zu setzen. Er spielte in allen 34 Spielen über die volle Distanz, wurde nur einmal verwarnt und trug erheblich zur Rückkehr Unions nach Europa bei. Javier Cáceres

  • Das Flankengöttle

    Borna Sosa (VfB Stuttgart)

    • Abwehr
    (Foto: imago)

    Er kann scharf und weich flanken, schnurgerade und schräg um die Kurve. Vor allem aber kann Borna Sosa, 23, so hoch flanken, dass der Ball übers Stuttgarter Stadion hinaus in die Weinberge schauen kann. Diese Flanken sind kein Versehen, sondern pure Absicht, himmelwärts steigt der Ball, ausgestattet mit einem Drall, der ihn gleich wieder steil hinunterfallen lässt. Im Sinkflug trifft der Ball dann den Kopf eines Mannes, der ebenfalls übers Stadion hinaussehen kann. Stürmer Sasa Kalajdzic, zwei Meter groß, und Flügelspieler Borna Sosa waren das Traumpaar der Rückrunde, eine Waffe, die der VfB gerne zückte. Zehn Tore hat Sosa vorbereitet, erst am Ende der Saison verfehlte er sein Ziel. Weil irgendwer irgendwas im Kleingedruckten übersehen hatte, darf der Kroate, obwohl frisch eingebürgert, doch nicht für Deutschland spielen. Ihm bleibt die Berufung in die SZ-Elf der Saison und der Titel „Schwäbisches Flankengöttle“. Christof Kneer

  • Der Zupackende

    Maximilian Arnold (VfL Wolfsburg)

    • Mittelfeld
    (Foto: imago)

    „Warum spielst du eigentlich nicht in der deutschen Nationalmannschaft?“, wurde Maximilian Arnold unlängst von einem renommierten Trainer gefragt. Dieser Fachmann hieß aber nicht Joachim Löw, sondern Oliver Glasner. Der Chefcoach des VfL Wolfsburg berührte bei Arnold einen sensiblen Punkt, lange schon wartet der 26-Jährige darauf, dass seine Auftritte durch eine Berufung ins DFB-Team honoriert werden. Doch Löw setzt andere Präferenzen. Dabei bildete Arnold in dieser Saison mit seinem Nebenmann Xaver Schlager das wirksamste zentrale Mittelfeld-Duo der Liga neben dem Erfolgspaar Kimmich/Goretzka: zupackend, schlagkräftig, geradlinig, spielerisch wertvoll. Einige dieser Eigenschaften täten Löws DFB-Kader durchaus gut. Philipp Selldorf

  • Der Polyvalente

    Jonas Hector (1. FC Köln)

    • Mittelfeld
    (Foto: imago)

    Als Joachim Löw den Kader für die anstehende EM bekanntgab, waren drei Linksverteidiger dabei, aber der letzte echte Stamm-Linksverteidiger fehlte auf eigenen Wunsch. Jonas Hector, 30, hat zu Beginn dieser Saison seine Karriere in der Nationalelf beendet. Zurückhaltend und ohne viel Tamtam, wie es seine Art ist. „Aus privaten Gründen“ wie es beim DFB hieß. Ansonsten hätte kein Weg daran vorbeigeführt, ihn zu nominieren, auch wenn er beim 1. FC Köln längst zentraler Mittelfeldspieler ist. Doch im Grunde spielte er in den vergangenen Wochen, nachdem er fast die gesamte Hinrunde verletzt verpasste, ohnehin jede Position, auf der im Kampf um den Klassenverbleib der entscheidende Mann gebraucht wurde: Beim so wichtigen 2:1 gegen RB Leipzig zum Beispiel war er am Ende der überragende Mittelstürmer mit zwei Toren. Selbst nach einem Abstieg in der anstehenden Relegation, das hat er angedeutet, bliebe er wohl in Köln. Sebastian Fischer

  • Die Allzweckwaffe

    Dani Olmo (RB Leipzig)

    • Mittelfeld
    (Foto: imago)

    Es gibt keine einzige Position im Angriff, die Dani Olmo, 23, nicht spielen könnte. Sagt er seit seiner Ankunft bei RB Leipzig, und das auch völlig zu Recht. Es wäre, in anderen Worten, kein größeres Problem, wenn er sich in einem Duell gegen Bayern auf dem rechten Flügel gegen Alphonso Davies verdingen müsste – auch wenn er lieber hinter den Spitzen agiert. So wie in seiner ersten vollständigen Bundesliga-Saison, in der er zu einer Säule des Tabellenzweiten wurde. Olmo setzte sich mit 15 Punkten an die Spitze der internen Scorer-Liste, seine fünf Treffer reichten für Platz fünf der Torjägerliste Leipzigs, mit nur drei Toren weniger als Marcel Sabitzer. Seine Tore begründeten, obschon er auch für die U 21 und die Olympia-Elf infrage kam, seine Berufung in Spaniens EM-Kader, an die man nicht so einfach herankommt, wie man an der Ausbootung von Sergio Ramos (Real Madrid) ablesen kann. Javier Cáceres

  • Der Raumschaffer

    Andrej Kramaric (TSG Hoffenheim)

    • Sturm
    (Foto: imago)

    Entgegen eines weit verbreiteten Klischees gibt es das wirklich bei der TSG Hoffenheim: geballte Tradition. Der Klub wurde 1899 gegründet, aber erst seit 2008 gehören die Hoffenheimer zur Stammbesetzung in der Bundesliga. Immer mit dabei: ein beeindruckendes Arsenal an Angreifern. Eine tolle Ahnenreihe hat sich da mittlerweile angesammelt, unter anderem stürmten schon Demba Ba, der heutige Liverpooler Roberto Firmino und Vedad Ibisevic für die TSG. Die Tradition führt mittlerweile Andrej Kramaric, 29, fort, obwohl er sich noch lieber als seine Vorgänger zwischen den Linien bewegt, er ist Raumschaffer und Vollender. 20 Tore hat der Kroate in dieser Saison erzielt, davon drei in den Partien gegen den FC Bayern. Ob ihn Lucas Hernández in einem Duell mit der SZ-Elf des Jahres bremsen könnte? Man weiß es nicht. Selbst eine überstandene Corona-Infektion erwies sich für Kramaric jedenfalls nur kurzzeitig als beeinträchtigend für seine Form. Thomas Hürner

  • Der Gierige

    Erling Haaland (Borussia Dortmund)

    • Sturm
    (Foto: Getty)

    Die Parallele war wahrscheinlich nicht mal gewollt, aber offensichtlich war sie trotzdem. Erling Braut Haaland, 20, hatte gerade einen Treffer im Pokalfinale gegen Leipzig erzielt, als er zur Eckfahne rannte, vom Rasen abhob und einen gewaltigen Satz nach vorn machte: Haaland landete breitbeinig, spannte seinen Oberkörper an, die Arme auch. Fehlte nur das laut ausgebrüllte „Siiiii!“, und die Alphamännchen-Pose wäre komplett gewesen: So bejubelt seine Tore auch ein gewisser Cristiano Ronaldo, fünfmaliger Weltfußballer und ausgewiesener Bayern-Killer. Auch der torgierige Haaland hat in seiner ersten vollen Saison beim BVB bewiesen, dass er Verteidigern wie Niklas Süle davonlaufen kann: drei Tore in zwei Spielen gegen die Münchner, insgesamt waren es 27 Saisontreffer. Solche Quoten klingen ziemlich Ronaldo-like. Im Gegensatz zum Portugiesen ist Haaland aber eines noch nicht gelungen: ein Sieg gegen den FC Bayern. Thomas Hürner

  • Der Lückenfinder

    André Silva (Eintracht Frankfurt)

    • Sturm
    (Foto: imago)

    28 Treffer, das ist nun die beste Bilanz eines Frankfurters in der Bundesliga-Geschichte, besser als Bernd Hölzenbeins 26 Tore aus der Saison 1976/77. Doch ausgerechnet an jenem Tag, an dem André Silva den Rekord der Frankfurter Vereinslegende übertraf, ist die kleine Möglichkeit noch etwas kleiner geworden, dass der Portugiese selbst zu einer wird. 3:4 verlor die Eintracht am vorletzten Spieltag auf Schalke und verpasste endgültig die Champions League – jenen Wettbewerb, in den Silva mit seinen Fähigkeiten als flinker Lückenfinder und millimetergenauer Vollstrecker im Strafraum zwingend gehört. Dass der 25-Jährige in Frankfurt bleibt, glaubt kaum jemand ernsthaft, obwohl er erst dort, im Zusammenspiel mit herausragenden Vorarbeitern wie Filip Kostic oder Daichi Kamada, seine ganze Klasse offenbarte. Immerhin: So ist wohl Hölzenbeins Rekord von insgesamt 160 Bundesliga-Toren für die Eintracht sicher. Sebastian Fischer

  • Der Milieutrainer

    Er war fünf Jahre Spieler unter Thomas Tuchel, nun rettet er Mainz spektakulär: Bo Svensson ist der SZ-Trainer der Saison

    • Trainer
    (Foto: Getty)

    Am Ende hätte man Bo Svensson wahrscheinlich noch tadeln müssen. Was soll denn das für eine komische Trainerleistung sein, alle Spiele gewinnen und am Ende trotzdem nur Zwölfter werden?

    Bo Svensson ist aus einem einfachen Grund ohne Rüge davongekommen. Am Ende hat sich wohl die Erkenntnis durchgesetzt, dass er für das Saisonende nichts kann. Nach dem 34. Spieltag gibt’s einfach keine Spiele mehr, in denen man Punkte holen kann. Dass Mainz mindestens alle der noch zu vergebenden Punkte geholt hätte: Wer wollte daran zweifeln?

    Es ist keine Rückrunde der Trainer gewesen in der Bundesliga. Der Gladbacher Marco Rose und der Frankfurter Adi Hütter haben ihre Teams nach ihren Abschiedsankündigungen in die Trübseligkeit gecoacht, im Tabellenkeller mussten alle Trainer gehen, auf Schalke sogar so oft, dass man mit dem Zählen ganz durcheinander kam. Hansi Flick hat oben erfolgreich sein Zeug gemacht, das ja, und Edin Terzic ist in Dortmund vom Interimstrainer zum ernst zu nehmenden Kandidaten auf dem Markt geworden – aber die Trainermannschaft der Saison spielte vom 15. Spieltag an eindeutig in Mainz. 

    Da übernahm der Däne Svensson, und es lohnt sich, noch mal an die Fakten zu erinnern: Zum Ende der Vorrunde war Mainz Siebzehnter, punktgleich mit dem Achtzehnten Schalke. Sieben Punkte hatten die Mainzer, acht weniger als Köln, elf weniger als Bremen – die einen haben sich gerade in die Relegation gerettet, die anderen sind nach unten durchgerauscht. Die Mainzer hingegen wären mit einem aufs Jahr hochgerechneten Bo-Svensson-Punkteschnitt in der Champions League gelandet. Also: theoretisch jedenfalls.

    Svensson, 41, ist ein multipler Trainer des Jahres. Er steht erstens für sich selbst (ein skandinavischer Coach, der Wert auf Teamgeist und Solidarität legt); er steht zweitens für Mainz 05 und die dort etablierte Trainerschule (als Spieler lernte er ein Jahr unter Jürgen Klopp und fünf Jahre unter Thomas Tuchel). Aber er steht auch für einen kuriosen Saisontrend: den Trend zum Milieutrainer. Fast alle bedrohten Klubs haben in der Not auf Trainer vertraut, die sich am Tatort schon auskennen. Die Augsburger haben Markus Weinzierl zurückgeholt, die Berliner haben sich vom altbekannten Pal Dardai retten lassen, die Bremer haben es noch mal mit Thomas Schaaf versucht. 

    Auch Friedhelm Funkel fällt in diese Kategorie, weil er zwar schon überall war, aber eben auch in Köln. „In einer Fußballwelt, in der Trainer nicht viel Zeit bekommen, ist es sehr gut, wenn die Trainer den Verein und die Philosophie kennen“, sagt Bo Svensson, „wenn sie vom ersten Tag an wissen, was gefordert ist. Und umgekehrt: wenn der Verein einen Trainer holt, bei dem man schon vorher weiß, dass er passt.“ Das sei ihm auch bei der Unterschrift wichtig gewesen: „Dass die Verantwortlichen nicht einen Trainer haben wollen, der sie rettet und dann vielleicht wieder weg ist.“

    Bo Svensson wird Mainz 05 auch in der nächsten Saison trainieren. Aber wenn er so weitermacht, könnte der Zeitpunkt kommen, an dem ihm dieses Milieu zu klein werden wird. Christof Kneer