Trümmer großer Kulturen
Spanien: Mikrorassismus
Wie verbreitet die Idee von der eigenen historischen Überlegenheit in Spanien immer noch ist, zeigt ein Vorfall im Jahr 2017: Damals sagte der Präsident des öffentlichen Fernsehens, José Antonio Sánchez Domínguez, bei einer Rede in der Casa de América in Madrid, die Unterwerfung Amerikas nach dessen Entdeckung 1492 sei keineswegs ein kolonialistischer Akt gewesen, sondern eine zivilisatorische Leistung. Spanier hätten den „barbarischen Völkern“ schließlich Kirchen, Krankenhäuser und Schulen gebracht.
Im spanischen Sprachraum ist die Deutung der Eroberung Lateinamerikas durch die Conquistadoren bis heute umstritten. Diese vernichteten im 16. Jahrhundert hochstehende indigene Kulturen wie jene der Azteken, der Maya oder der Inka. Im November, bei ihrem ersten Staatsbesuch in Mexiko, fand Spaniens Außenministerin Arancha González Laya – entgegen den Erwartungen des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador – keine Worte der Entschuldigung für die spanische Eroberung der „Neuen Welt“. Spanien lege nach wie vor die Attitüde eines Kolonialherren an den Tag, schimpfte López Obrador.
Die engen Beziehungen zwischen Spanien und Lateinamerika sind eine der Folgen des Kolonialismus – auch wenn dieser schon Anfang des 19. Jahrhunderts endete, als die Südamerikaner ihre Freiheit erkämpften. 1914 besaßen die Spanier im Wesentlichen noch Randgebiete Afrikas. Spanisch ist eine Weltsprache, Ecuadorianer, Kolumbianer und Venezolaner stellen mit die größten Einwanderergruppen in Spanien. In vielen von Madrids Armenvierteln leben mehrheitlich Lateinamerikaner. Einem großen Teil bleibt der soziale Aufstieg verwehrt. Das liegt auch an dem oft subtilen Rassismus gegenüber Menschen, die Spanisch mit dieser lateinamerikanischen Sanftheit sprechen. Von „Mikrorassismus“ sprechen spanische Soziologen. Genährt werde dieser noch immer von der Idee der eigenen Überlegenheit. Karin Janker
Das Reich des schönen Scheins
Portugal: Koloniale Legenden
Seit Jahren schon schwelt ein Streit darüber, ob man in Lissabon ein „Museum der Entdeckungen“ bauen soll, in dem die portugiesische Kolonialgeschichte aufgearbeitet wird. Schon allein der Name sorgte für Kritik: Schließlich ging es in der 500 Jahre währenden Geschichte der Kolonialmacht Portugal weniger ums Entdecken als ums Ausbeuten. Dennoch wirkt der „Lusotropikalismus“ nach: Mit dieser Ideologie rechtfertigte insbesondere die Diktatur des Estado Novo unter António de Oliveira Salazar den eigenen Anspruch auf die Kolonien in Afrika und Asien. Zwangsarbeit, Unterdrückung und Rassismus wurden ausgeblendet, die eigene Rolle als Kolonialmacht geschönt und zum friedlichen, multikulturellen Zusammenleben umgedeutet.
Der kleine Seefahrerstaat Portugal hatte Landstriche und Inseln in Afrika und Asien über Jahrhunderte beherrscht und blieb auch nach dem Verlust Brasiliens 1822 eine bedeutende Kolonialmacht (Macau, heute chinesische Sonderverwaltungszone, war bis 1999 die letzte Kolonie der Welt). Die portugiesischen Kolonialkriege seit Beginn der Aufstände in Afrika 1961, die Nelkenrevolution und der Sturz der rechten Diktatur 1974 in Portugal führten zwar zum Ende des Kolonialreichs, nicht aber zum Abschied vom Lusotropikalismus. Womöglich lässt sich nur so rechtfertigen, warum Portugal 15 bis 20 Jahre, nachdem Franzosen und Engländer ihre Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen hatten, mit Gewalt an den eigenen festhielt und damit jeden friedlichen Übergang unmöglich machte. Fast alle dieser Gebiete verfielen in eine lange Phase der Bürgerkriege und Not.
Entsprechend zögerlich setzt die Auseinandersetzung Portugals mit der eigenen Schuld und Geschichte ein. Nur wenige Aktivisten, wie die linke Abgeordnete Beatriz Gomes Dias, deren Eltern selbst aus der früheren Kolonie Guinea-Bissau stammen, stellen einen Zusammenhang zwischen der kolonialen Vergangenheit und dem heutigen Rassismus im Land her. Portugal halte sich nicht für ein rassistisches Land, sagt Gomes Dias, es gebe nach wie vor den Mythos von der portugiesischen Ausnahme. 23 Prozent der Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund geben an, sie seien in den vergangenen fünf Jahren schon einmal rassistisch beleidigt worden, auch wenn solche Vorkommnisse in anderen EU-Staaten noch öfter passieren.
Im Sommer 2020 wurde der 39-jährige schwarze Schauspieler Bruno Candé mutmaßlich von einem 76-jährigen weißen Kolonialkriegs-Veteranen auf offener Straße erschossen. Ende Januar entschloss sich die Staatsanwaltschaft zu einer Anklage wegen eines „Verbrechens aus Rassenhass“. Für Beatriz Gomes Dias war das ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit. Denn obwohl Historiker wie der Rassismusexperte Francisco Bethencourt vom Londoner King’s College Portugal als Wegbereiter für den grausamen Handel mit Sklaven bezeichnen – in Portugal selbst versucht man diese dunkle Vergangenheit so gut es eben geht zu verdrängen. Karin Janker
„Die verstehen nichts“
Russland: Das Imperium vor der Haustür und das Elend der Besiegten
Bis zu kalifornischen Küste sind die Russen gekommen. Fort Ross, abgeleitet von dem Wort Rossija (Russland) war eine kleine Niederlassung der Russländisch-Amerikanischen Kompagnie, die Pelzhandel auf dem nordamerikanischen Kontinent betrieb. Von 1812 bis 1841 diente Fort Ross für die Jagd auf Seeotter, dann verkaufte die Gesellschaft den südlichsten Punkt Russisch-Amerikas. Alaska, die gewaltige russische Kolonie im Norden Amerikas, vom Mutterland durch die Beringstraße getrennt, blieb länger im Besitz des Zaren. 1867 trennte sich Alexander II. von dem unwirtschaftlichen, entlegenen Eigentum nördlich des Polarkreises für die legendär niedrige Summe von 7,2 Millionen Dollar – ein Freundschaftspreis, denn die USA und das Zarenreich waren Verbündete, und für Spötter „das dümmste Geschäft der Weltgeschichte“.
Ähnlich wie die USA dehnte sich Russland ansonsten auf dem eigenen Kontinent aus und schuf kein Überseereich wie andere Mächte Europas. Im Mittelalter hatte es massiv unter den Einfällen der Mongolen und Tataren aus dem Osten gelitten. Seit dem 16. Jahrhundert aber wandte sich das Zarenreich unter Iwan IV. seinerseits nach Osten und eroberte zunächst die tatarischen Khanate Kasan und Astrachan am Kaspischen Meer.
Und dann lag Sibirien in seiner gewaltigen Ausdehnung vor den Russen. Kosaken, Reiterverbände aus den südlichen Steppengebieten drangen immer weiter vor und eroberten das Gebiet für die Zaren von den dort lebenden Ureinwohnern. Russland hatte seine Neue Welt vor der östlichen Haustür gefunden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts machte Moskau sich ganz Sibirien untertan; bereits 1689 hatte man sich mit China über eine Grenze am Amur im Fernen Osten geeinigt.
Mit der Bildung des „Gouvernements Neurussland“ im Süden und Osten der Ukraine setzte sich Russland im 18. Jahrhunderts auch hier fest; das Khanat auf der Krim, das noch vom Osmanischen Reich abhängig war, kam unter russische Herrschaft. Das neue Gouvernement sollte von einer loyalen Bevölkerung besiedelt werden; unter den von Zarin Katharina II. ins Land gerufenen Kolonisten waren viele Deutsche.
Zu literarischem Ruhm gekommen sind die Feldzüge im Kaukasus, wo Russland seine Macht über Jahrzehnte auf blutige Weise ausdehnte. Die muslimischen Herrscher setzten sich erbittert zur Wehr, die Konflikte reichen bis in die Tschetschenienkriege unserer Zeit. In Michail Lermontows Roman „Ein Held unserer Zeit“ von 1840 sieht ein russischer Offizier verächtlich herab auf die kaukasischen Bergvölker, wie es manche Russen noch heute tun: „Dummes Pack – glauben Sie mir, die verstehen nichts, sind keiner Bildung fähig.“
Russland handelte nicht anders als andere Kolonialmächte: Die muslimischen Tscherkessen wurden vertrieben oder umgebracht. Und unter Lenin und Stalin verfuhren die Sowjets dann durch Umsiedlungen, Deportationen und willkürliche Provinzgrenzen mit den vielen Völkern Russlands nach dem Motto: Teile und herrsche. Cord Aschenbrenner
Die Vermessung des Schmerzes
Frankreich: Späte Erinnerung
Langsam tastet der französische Staat sich an eine der dunkelsten Phasen seiner jüngeren Vergangenheit heran, an den Algerienkrieg. 2021 begann damit, dass der Historiker Benjamin Stora einen 100-seitigen Algerien-Bericht vorlegte, den Präsident Emmanuel Macron bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Es war ein Vermessen der Schmerzen und eine Anleitung, wie eine Versöhnung möglich werden könnte. Denn auch bald 50 Jahre nach der algerischen Unabhängigkeit 1962 ringt Frankreich um eine klare Position zu seiner Kolonialgeschichte. Insbesondere im Fall Algeriens, wo bis 1961 ein blutiger Kolonialkrieg tobte. Im heutigen Frankreich leben die Nachfahren der französischen Siedler dort, der pieds noirs, mit den Nachfahren der unterdrückten Algerier Seite an Seite.
Über die Traumata, die diese Beziehung prägen, wurde lange geschwiegen. Der Kolonialismus hat überall in Frankreich seine Spuren hinterlassen, allein durch die Millionen Einwanderer und ihre Kinder und Enkel, die ihre Wurzeln in den früheren Kolonien haben. In keinem Land Europas leben heute mehr Muslime als in Frankreich – weil die französische Kolonialpolitik die mehrheitlich muslimischen Länder Nordafrikas und auch weite Teile Westafrikas für sich reklamierte.
Vor der Nationalversammlung in Paris findet man die Statue von Jean-Baptiste Colbert. Schüler lernen ihn als erfolgreichen Finanzminister des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und als Wegbereiter des Kolonialreichs im 17. Jahrhundert kennen, als einen der großen Männer der französischen Geschichte. 2020 bewarfen „Black Lives Matter“-Demonstranten Colberts Statue mit roten Farbbeuteln. Der „große Mann“ hat den grauenhaften Code Noir mitverfasst, der bestimmte, wie auf den Plantagen in den Kolonien mit Sklaven umzugehen sei. Schwarze Sklaven sind im Code Noir keine Menschen, sie sind rechtloser Besitz: „Entflohenen Sklaven werden die Ohren abgeschnitten.“
1914 war das Land die zweitgrößte Kolonialmacht der Welt. Dieses riesige Gebiet hat Frankreich reich gemacht – und rassistische Gewalt und Ausbeutung in das Fundament des Staates mit eingeschrieben. Doch konservative Kreise vertreten bis heute die Idee, der Kolonialismus habe französische Kultur nach Afrika gebracht. Und Linke betonen den französischen Universalismus: einen Staat also, der weder die Hautfarben noch die Religionen seiner Bürger sieht und deshalb die Gleichheit aller garantiert. Dieses schwer zu erschütternde französische Selbstbewusstsein schürt die Wut der Nachfahren der Kolonialisierten.
Als Emmanuel Macron 2017 Präsident wurde, wirkte es, als könne Bewegung in die verhärteten Fronten kommen. Zuvor hatte er den Kolonialismus ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ genannt. Inzwischen ist er vorsichtiger. Er versucht einerseits, lange totgeschwiegene Verbrechen sichtbar zu machen. So bat er persönlich die Witwe des algerischen Unabhängigkeitskämpfers Maurice Audin um Verzeihung. Audin wurde 1957 in Algier „im Namen der Französischen Republik von Soldaten gefoltert und umgebracht oder zu Tode gefoltert“, wie Macron sagte. Es ist ein großer Schritt, dass Frankreich diese Folter zugibt. Zudem soll 2021 im Pariser Tuilerien-Park ein Denkmal für die Opfer der Sklaverei eingeweiht werden. Gleichzeitig distanzierte sich Macron von der „Black Lives Matter“-Bewegung: Er werde „keine Statuen stürzen“. Nadia Pantel
Zwischenstopp im „Höllenloch“
USA: Macht und Moral
Der „US-Imperialismus“ war das große Feindbild für die 68er, vor allem wegen des mörderischen Kriegs in Vietnam. Jedoch waren die USA keine klassische imperiale Macht. Ihre 13 Gründungsstaaten, die sich 1776 von der britischen Krone lossagten und den ersten demokratischen Staat der Neuzeit schufen, hatten selbst noch als „colonies“ gegolten. 1823, nach der Unabhängigkeit Südamerikas von Spaniern und Portugiesen, machte die „Monroe-Doktrin“ den europäischen Kolonialmächten klar, dass sie hier nichts mehr verloren hätten (die Staaten im Süden galten freilich oft als „Hinterhof“ der übermächtigen USA).
Die Vereinigten Staaten ihrerseits sind zwar das Produkt auch von Eroberungen – zu Lasten der indigenen Stämme und Mexikos. Das heutige Rassismusproblem wurzelt im Lande selber, nämlich in der Sklaverei, in der schwarze Menschen als rechtloser Besitz galten und die erst nach der Niederlage der Südstaaten 1865 offiziell endete, Diskriminierung und Hass aber blieben. Klassische Kolonien jedoch erwarben die USA kaum. Bis 1898 kauften oder eroberten sie lediglich kleine Inseln oder Marinestützpunkte wie das heute berüchtigte Guantanamo auf Kuba. Im Krieg gegen Spanien eroberten sie dann aber Guam und die Philippinen und behielten sie, vor allem aus strategischen Gründen. Dennoch war dies ein klarer Bruch mit der antikolonialen Tradition.
Indessen blieben die Amerikaner skeptisch bis ablehnend gegenüber den Kolonialreichen der Europäer, was diese dann nach dem Zweiten Weltkrieg zu spüren bekamen. Trotz des engen Bündnisses mit Großbritannien und der Freundschaft zwischen US-Präsident Franklin D. Roosevelt und dem britischen Premier Winston Churchill sahen die Pläne der Amerikaner für eine Nachkriegsordnung statt einer Fortführung der Kolonialreiche das Selbstbestimmungsrecht der Völker vor. Nach einem Zwischenstopp in Britisch-Gambia 1943 bezeichnete Roosevelt die Kolonie als „Höllenloch“, in dem die Einheimischen schlechter lebten als das Vieh. Seinem Sohn Elliott sagte der Präsident, Churchill glaube ihm anscheinend nicht, dass er es ernst meine mit dem Abschied von den Kolonialreichen, „aber er wird noch herausfinden, dass es so ist“. Und so kam es.
Die amerikanische Haltung beruhte auf ethischen Überzeugungen einerseits und beinharter Machtpolitik andererseits. Sie fürchteten, Einfluss und Märkte in der entstehenden Dritten Welt einzubüßen. 1956 kam es in der Suez-Krise zum Schwur, als am Einspruch der USA der Versuch Frankreichs und Großbritanniens scheiterte, den Suez-Kanal militärisch unter Kontrolle zu bringen. Das war das Totenglöckchen für die letzten Kolonialabenteuer. Joachim Käppner
Massaker in Nanking
Japan: Der Weg der Gewalt
Das Codewort zum Angriff hieß: „tora, tora, tora!“ – Tiger, Tiger, Tiger. Als Japans Bomber am 7. Dezember 1941 einen Großteil der US-Pazifikflotte in Pearl Harbor zerstörten, schien der japanische Sozialimperialismus, wie Historiker das Weltmachtstreben des Landes nannten, am Ziel zu sein. In Wahrheit hatte er sich das eigene Grab gegraben.
Japan ist der einzige nichteuropäische Kolonialstaat der neueren Geschichte und dazu der späteste. Militärisch und industriell war das Land den Europäern gewachsen, nach 1918 stieg es zur Vormacht in Asien auf und hielt Korea besetzt. In den Dreißigern setzten sich mehr und mehr die extremen Nationalisten und Militärs durch, die dann die Kolonialisierung weiter Teile Ostasiens planten. Ein mörderischer Krieg ab 1937 brachte weite Teile Chinas unter Kontrolle, der rassistische Charakter des neuen Großreichs zeigte sich unter anderem beim „Nanking-Massaker“ 1937, als die Kaiserliche Armee mindestens 200 000 Chinesen ermordete. Viele Opfer wurden zu Tode gefoltert oder lebendig begraben, Offiziere wetteiferten, wer mehr Zivilisten mit dem Schwert geköpft habe. Sanktionen der USA trafen Japan hart, der Angriff auf Pearl Harbor 1941 sollte die Amerikaner lange genug schwächen, damit Japan eine unangreifbare „Wohlstandssphäre“ in Ostasien erobern konnte. 1942 beherrschte es tatsächlich ein riesenhaftes Imperium in China und im Pazifik. Die Kolonien der Briten, Franzosen, Niederländer fielen binnen weniger Monate. Die Behauptung der Eroberer aber, sie seien gekommen, um Asiens Völker zu befreien, erwies sich als Lüge: Die Sieger beuteten Menschen und Ressourcen erbarmungslos aus und herrschten durch Terror.
In den Tokioter Kriegsverbrecherprozessen wurden zahlreiche Generäle und Politiker verurteilt. Dennoch war die Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld in Japan nie so intensiv wie ab den Sechzigerjahren in Deutschland. So tut sich das Land bis heute schwer damit, das entsetzliche Leid koreanischer „Trostfrauen“ anzuerkennen, die Japans Militär zur Prostitution zwang. Nur in einem hat der brutale Kolonialismus Japans zur Befreiung Asiens beigetragen: Die unterworfenen Völker hatten gesehen, wie die weißen Herren gedemütigt und besiegt wurden, und sie akzeptierten deren Rückkehr nicht mehr. Joachim Käppner
Die Sklaven der Krone
Dänemark: „Unverzeihlich“
Als der damalige dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen 2017 auf die Jungferninseln in der Karibik reiste, dürfte vielen Dänen, aber auch Norwegern erst bewusst geworden sein, dass ihre Vorfahren in einem Kolonialreich von beträchtlicher Ausdehnung gelebt hatten. Beide Königreiche bildeten von 1380 bis 1814 eine Union.
Seit dem 16. Jahrhundert galt das europäische Kolonialinteresse Westindien, für Dänemark war noch die verlassene Antilleninsel Saint Thomas übrig. Sie zählt zu den Jungferninseln, seit 1666 wehte hier die dänische Flagge. Kaufleute gründeten eine Handelsgesellschaft, Siedler und mit ihnen afrikanische Sklaven kamen nach Saint Thomas und weiteren Eilanden, auf denen Rohrzucker angebaut und nach Dänemark exportiert wurde. Seine ferne Kolonie behielt das Land bis 1917, dann ging Dänisch-Westindien für 25 Millionen Dollar an die USA. An diesen Verkauf erinnerte der dänische Ministerpräsident bei seinem Besuch, bei dem er die Sklaverei unter der Herrschaft der Krone als „unverzeihlich“ verurteilte.
Zum Ausgleich für den Verlust weitete Dänemark 1921 seine Herrschaft über Grönland aus, das bis 1979 Kolonie blieb. Näher als die riesige arktische Insel lagen die Färöer und Island, das 1918 souverän wurde. Auch in Indien hatte das nordische Königreich seit 1620 Besitzungen: auf den Nikobaren, in Bengalen und an der Koromandelküste. Hinzu kamen kurzlebige dänische Handelsniederlassungen an der westafrikanischen Goldküste, einem Schwerpunkt des Sklavenhandels. Cord Aschenbrenner