Emils Leben, was das für ein Drehbuch gegeben hätte: der Klang von Champagner-Gläsern; Autos, die nachts mit Katzenaugen über die Straßen gleiten; türkis leuchtende Pools in Sommernächten, die so zart und warm auf der Haut liegen wie das Gefühl, unantastbar zu sein. 50 000 Euro Umsatz die Woche mit Heroin.
Auf drei Dinge konnte sich Emil* dabei immer verlassen: Russische Familien halten zusammen, russische Familien sind stark. Russen sind gastfreundliche Menschen.
Und wie ein Film endet dieses Leben auch: Nachts bricht ein SEK durch die Tür. Ein drogenabhängiger nichtrussischer Verkäufer hatte ihn verpfiffen. Lampen suchen hektisch nach Emil. Kabelbinder beißen in seine Handgelenke. Emils Frau weint. Emil liegt am Boden. Er ist wütend. Wie konnte das nur passieren?
Dienstagnacht bis Freitagmittag halten sie Emil im Keller der Polizeiwache fest: Pack aus, Emil, sagen sie. Aber Emil packt nicht aus und geht lieber ins Gefängnis. Ich bin ja nicht lebensmüde, denkt Emil. Russische Familien halten zusammen.
Seine „Familie“, sie war immer für ihn da, hat ihn durch all die Jahre begleitet, auch in Haft, und er ist bis heute froh, zu ihr gehalten zu haben. Anderseits: Hätte er es nicht, hätte das vielleicht seinen Tod bedeutet – oder mindestens das Risiko, nie mehr ohne Angst auf die Straße gehen zu können. Höchstens das Zeugenschutzprogramm wäre eine Möglichkeit gewesen, denn auch im Gefängnis hätten sie ihn irgendwann erwischt.
Als Emil ins Gefängnis kommt und mit seinen Sachen in der Hand über den Flur läuft, grüßen ihn Leute und nicken ihm zu. Aber er hat sie nie zuvor gesehen. Natürlich hat Emil die Geschichten gehört: über Banden und Gangs und so Zeug. Aber dass er Teil einer solchen Gruppe werden würde, noch dazu, ohne überhaupt beigetreten zu sein, das hätte er nicht gedacht.
Gefängnisgangs sind ein Mythos, wie man es auch aus Filmen kennt. Aber es gibt sie. Und sie spielen hinter Gittern eine tragende Rolle. Das Gefängnis ist ein Mikrokosmos, strukturiert nach eigenen Regeln, mit strengen Gesetzen und Hierarchien. Mit Gruppen, die dieses Gefüge aufbauen und ausmachen. Und mit Mitgliedern, die innerhalb der Gruppen um Schutz und Sicherheit, Macht und Ansehen kämpfen. Emil war Teil davon.
1987 wird Emil in Kasachstan geboren. Als die Sowjetunion zerfällt wie eine Sandburg im Wasser, sind russlanddeutsche Familien dort nicht mehr erwünscht. Emils Familie geht nach Deutschland. Zunächst kommen sie im Asylbewerberheim unter. Später zieht die Familie in ein Neubauviertel, wo Landsleute wohnen. Auch in der Familie gibt es klare Regeln und feste Strukturen. Was der Vater sagt, ist Gesetz. Einmal wird Emil in der Schule verhauen, da sagt sein Vater nicht: „Wir fahren da jetzt hin und klären das mit der Lehrerin.“ Er sagt: „Beim nächsten Mal schlägst du zurück, Emil.“
Die Jungen aus der Siedlung teilen das gleiche Schicksal. Die Tage verbringen sie auf dem Rad oder gehen klauen, wenn sie keine Pfandflaschen finden; sie halten zusammen, wenn es Ärger gibt, und sie schweigen füreinander, wenn einer erwischt wird. Ehrensache.
Emil macht eine Ausbildung als Mechaniker. Mit 20 verliert er den Job. Sein Chef lässt fragen: Emil, hast du eine Familie? Emil, hast du einen laufenden Kredit? Emil sagt zweimal nein und wird entlassen. Etwas Neues findet er nicht. Irgendwann hat er keinen Bock mehr zu suchen und sich wegschicken zu lassen.
Er kennt da ein paar Ältere, die drehen Dinger. Sind aber eigentlich ganz „konkrete Typen“; Emil sagt „konkret“, wenn er „korrekt“ meint. Er fragt: Habt ihr Arbeit? Sie haben. Sei „riskant“, sagen sie. Sei „schwere Arbeit“. Emil hat keine Angst.
Mit drei Freunden und 10 000 Euro im Gepäck fährt Emil mit seiner Schrottkarre über die Grenze. In den Niederlanden übergeben sie das Geld an eine Gruppe Heroindealer und bekommen ein Kilo weißen Stoff, den sie vor Ort auf 1,5 Kilo strecken, um mehr zu verkaufen, Emil sieht zum ersten Mal Sportwagen, sieht Knarren, sieht Penthouse-Wohnungen und dunkle Parkplätze. Seiner Freundin erzählt er, er sei im Import-Export-Geschäft. Stimmt ja auch, irgendwie.
Bei Deals taucht Emil bald selbst mit zehn Mann auf, besorgt sich eine Waffe, lässt sie genauso weit aus der Hose hängen, dass es auffällt, aber noch Understatement ist. Sie fahren in sündhaft teuren Wagen vor, um die anderen einzuschüchtern. Alles nur Tarnung. Die Wagen sind geliehen.
Wenn einer der Jungs ein Mädchen beeindrucken will, legt er 10 000 Euro auf den Tisch. Emil kauft sich ein eigenes Haus – da ist er Mitte 20. Die Geschäfte laufen. Bis das SEK kommt.
Sechs Jahre Haft. Er bringt seine Sachen auf die Zelle. Seine Frau hatte noch gesagt: Ich werde hier auf dich warten, Emil. Russische Familien sind stark.
Auf der Zelle liegt ein Landsmann. Sie begrüßen einander auf Russisch; der Landsmann händigt Emil Tabak und Kaffee für die ersten Tage aus. Eine Art kleines „Willkommensgeschenk“. Die meisten haben nichts, wenn sie reinkommen. Sie müssen verzichten oder sich etwas leihen, was meistens Stress gibt.
Dann stellen sich beide ans Fenster und rufen hinaus. Im Hof setzt sich daraufhin eine Gruppe Häftlinge in Bewegung und geht Richtung Zellenbau. Alles Russen. Die „Diebe im Gesetz“.
Als „Diebe im Gesetz“ wurden ursprünglich die Anführer russischer Verbrecher-Organisationen bezeichnet. „Diebe“ sind also eigentlich „Bosse“, zu Sowjetzeiten gab es etwa 15. Unter Stalin waren viele, auch ehrbare Menschen inhaftiert, Verbrecher-Organisationen waren da für die wartenden Angehörigen eine helfende Hand und schützten im Gefängnis ihre Mitglieder. Wer einmal beitrat, konnte nicht wieder austreten. Manche sagen, das „Gesetz“ im Namen komme von den Prozessen, die die „Diebe“ abhielten. Sie schlichteten damit Streit unter den verschiedenen Gruppen, damit die Geschäfte weiterlaufen konnten. Andere sagen: Man weiß es heute nicht mehr genau. Die „Diebe im Gesetz“ gelten in ihrer ursprünglichen Form heute als weitgehend ausgestorben. Viele Gruppen führen aber den Namen weiter und auch das BKA weist viele vor allem russischstämmige Verbrecher entsprechend aus.
2016 hat BKA-Präsident Holger Münch vor diesen Gruppen gewarnt: „Acht bis zehn Prozent der Insassen in deutschen Justizvollzugsanstalten sind russischsprachig oder russischstämmig. Das zeigt das Rekrutierungspotenzial“, sagte er. Bei den „Dieben im Gesetz“ geht das BKA derzeit grob von einer knapp fünfstelligen Mitgliederzahl aus. Früher hätten sie hierzulande mehr, 20 000 bis 40 000, Mitglieder gehabt. Warum sind sie immer noch die einzig echte Gefängnisgang Deutschlands?
Zeitweise – durch die Zuwanderung von Spätaussiedlern und Russlanddeutschen seit den 1980er und 1990er Jahren – waren die „Russen“ in deutschen Gefängnissen überrepräsentiert. Sie brachten auch die Regeln der „Diebe“ aus ihren Heimatländern mit. Die Situation hat sich geändert: Heute gibt es auch Gruppen von „Arabern“, also von Libanesen, Marokkanern oder Irakern, es gibt Vietnamesen, Rocker, und viele sind ebenfalls in Banden oder Familien-Klans organisiert, aber niemand ist so einflussreich wie die „Diebe“. Das hat einen Grund.
Erstens sind die Netzwerke der „Diebe“ alt und über Jahrzehnte gewachsen. Zweitens: Obwohl die Russen und Russlanddeutschen den „Arabern“ heute zahlenmäßig wohl nicht überlegen sind, gelten die „Araber“ im Gefängnis – weil ihre Subgruppen aus verschiedenen Ländern stammen und selbst Familien untereinander zerstritten sind – als eher zersplittert. Die Russen hingegen bilden eine feste Einheit. Sie sind: eine Familie. Emils Familie.
Emil gehört automatisch dazu, wegen seiner Herkunft. Russisch sein und sprechen, das ist der Zugang. „Ich kenne Leute“, sagt Emil, „die haben extra im Knast Russisch gelernt, um Anschluss zu finden.“
Die Russen sind ein Mythos. Sie waren es immer. Emil erzählt die Geschichte eines Nazis, der auf den Gang der Russen verlegt wurde und ein Hakenkreuz auf der Brust trug. „Die Deutschen haben keine Gruppe“, sagt Emil. „Die hängen in der Luft.“ Daher habe der Nazi wissen wollen, ob er etwas von den Russen zu befürchten habe. „Nazis suchen bei uns Schutz vor den Arabern“, sagt Emil. „Ich glaube, die Russen stehen den Deutschen nahe, weil sich die Deutschen insgeheim – jedenfalls die Nazis – auch diese nationale Einheit und Stärke wünschen.“
Der Nazi durfte dann mitmachen. „Wir haben nichts dagegen“, sagt Emil. „Wenn er gesagt hätte: Ich war nie Nazi. Das wäre ein Problem gewesen. Heuchler mag niemand. Wir haben ja auch was gegen die Araber.“ Sie seien impulsiv und streitsüchtig. Aber wegen ihres Stolzes könne man sich mit ihnen gut schlagen, findet Emil.
Viele deutsche Häftlinge berichteten, dass es sie ärgere, wenn Araber auf dem Gang provozieren und sagen: „Ihr Deutschen habt keine Ehre.“ Aber ohne schlagkräftige Gruppe kannst du nichts machen. Die Russen können.
Im Gefängnis herrscht eine fast totale Kontrolle, aber tagsüber sind die Häftlinge viel unter sich: im Hof, in den Duschen, bei der Arbeit und im Gemeinschaftsraum. Die Leere füllen sie mit einem klaren und strengen Hierarchiesystem, das „Ordnung“ und Orientierung verspricht. Jeder Insasse misst dabei seine eigene Straftat immer an der anderer, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Auch Häftlinge vergleichen und hoffen, dass das, was sie getan haben, wenigstens nicht so schlimm ist wie die Taten der anderen.
Ganz unten in der Gefängnishierarchie stehen die Pädophilen und Sexualstraftäter sowie die Verräter, die ausgesagt oder jemanden im Knast angeschwärzt haben. Drogensüchtige gelten als schwach. Als Nächstes kommen kleinere Diebe, einfache Einbrecher, Klein-Dealer.
Danach folgen die schweren und gefährlichen Körperverletzungsdelikte und versuchte Tötungen. Ausnahmen bilden die „unehrenhaften“ Täter. Das sind Leute, die zum Beispiel Kinder, Frauen oder alte Leute überfallen oder sogar getötet haben. Wessen Opfer wehrlos war und nicht auf Augenhöhe, der ist unten durch.
Als Nächstes: größere Dealer, erfolgreiche Einbrecher, Insider wie Anabolikahändler, Drogenmischer und gut vernetzte Leute wie Emil. Solche Typen werden auch systematisch von Gruppen im Gefängnis angesprochen und rekrutiert – auch für die Zeit danach.
Darüber stehen die Koryphäen. Das sind Leute, die spektakuläre Dinger gedreht haben, von denen jeder im Gefängnis schon weiß – zum Beispiel aus der Zeitung oder noch besser: aus dem Privatfernsehen. Viele träumen heimlich, brillant wie diese Koryphäen zu sein. Sie sind die Posterboys im Gefängnisalltag. Zu diesen Prominenten zählen Häftlinge wie Uli Hoeneß, als er noch saß. Das Gefängnis ist so offen für Klatsch wie das „Goldene Blatt“.
Ganz oben stehen die Bosse; die Dienstältesten auf dem Flur oder die Ältesten einer Bande.
Und dann gibt es noch Insassen, bei denen alle ein mulmiges Gefühl kriegen: Sadistische Killer und – vor allem – Kannibalen. Von ihnen hält man sich fern.
Emil wird zur Versammlung einbestellt. Dazu treffen sich alle in der Zelle eines Mitgliedes. Alle rauchen, sitzen rum, der Boss spricht, er ist der Älteste und wie ein Vater, und der Rest hört zu. Hier klärt die Gruppe alles.
Seine neue Familie will natürlich wissen, wie Emil all das Drogengeld gewaschen hat. Also erzählt er: vom Online-Poker, vom Internet-Spiel, an dem nur seine Bande teilnahm, wie sie sich am Telefon über die Karten des anderen ausgetauscht haben und immer den gewinnen ließen, der gerade Geld brauchte. Dann gab es eine Gewinnbescheinigung und der Glücksspiel-Ertrag war damals noch steuerfrei. Zustimmendes Nicken in der Runde.
Dann wird Emil über die Regeln aufgeklärt. Für alle gilt das „Diebesgesetz“. Einige Regeln, die früher, zur Blütezeit, Gesetz waren, gelten heute nicht mehr: „Zum Beispiel sollen Diebe keinen Besitz haben, keine Familie und keine Kinder“, sagt Emil. „Damit sie nicht erpressbar sind. Das macht heute keiner mehr, den ich kenne. Das hat die moderne Zeit irgendwie abgelöst.“
Aber immer noch werden viele russische Gruppen mit den „Dieben“ von damals gleichgesetzt. Zu Sowjetzeiten waren sie so mächtig, dass sie im Land ganze Gefängnisse übernahmen, auch weil dort Hunger und Gesetzlosigkeit herrschten und das Personal langsam die Oberhand verlor. Die neue Generation der „Diebe“, die vielfach nur russische Gruppen sind, die den wohlklingenden Namen adaptiert haben, scheint heute weit weniger dogmatisch. Die „Diebe“ von einst sind womöglich mehr die Wurzel der heutigen russischen Mafia.
Die Gruppe kümmert sich um alles, das merkt Emil schnell. Nächste Regel: Der Flur und die Zellen müssen immer perfekt sauber sein. „Je weniger Unruhe und Unordnung, desto weniger Besuch durch Beamte“, sagt Emil. Der Nazi bekam gleich den Besen ausgehändigt.
Jedes Mitglied muss eine Zwangsabgabe leisten – Geld, das in der sogenannten „Abschtschjak“ gesammelt wird, der Gemeinschaftskasse. Davon finanziert die Gruppe Neuen den „Zugangstabak“ oder hilft bei Notlagen aus. Auch illegale Aktivitäten können davon bezahlt werden.
Russen sind gastfreundlich.
Es gibt auch Dinge, die mögen „Diebe“ gar nicht: Streit unter Landsleuten zum Beispiel. „Wenn Russen sich im Gefängnis schlagen“, erzählt Emil, „zeigt das nach außen nur: die Gruppe hat Streit und ist schwach. Das darf nicht passieren. Streit klärt man unter Russen intern.“ Nur unter Russen, versteht sich.
Deals mit anderen Gruppen werden unter den jeweiligen Anführern geklärt. „Das läuft ganz gesittet ab“, sagt Emil. „Jeder weiß: Wenn einer wen angreift, bedeutet das: Krieg mit allen.“ Kalter Krieg. System der gegenseitigen Abschreckung.
Emil findet: mit den Arabern müsse man vorsichtig sein. Einen Hang zum Rassismus und zu Pauschalisierungen gibt es natürlich auch im Gefängnis.
Besonders gerne machen die Russen mit denen Geschäfte, die genauso verschwiegen sind wie sie selbst: den Mitgliedern der italienischen Mafia. Die würden wie Ehrenmänner empfangen, sagt Emil. „Die haben die Omertà, das Schweigegesetz, und auch ein Dieb darf niemals bei Behörden aussagen oder mit dem Staat kooperieren.“
Am Fingerknöchel hat Emil heute noch sein Tattoo: das Rangabzeichen. Es zeigt: Ich bin dabei. Das könne man nicht einfach so tragen, denn im Knast würden nicht genehmigte Abzeichen gewaltsam entfernt.
Was die „Diebe“ besonders auszeichnet, sind aber nicht ihre Stärke und ihre Disziplin: Es ist ihr beispielloses Netz aus Kontakten und Kontaktmännern. „Wir tauschen winzige Briefchen aus“, sagt Emil, „in denen wir alles zusammenfassen, was ‚Diebe‘ vor Ort über Neuankömmlinge wissen müssen.“ Hat jemand Spielschulden? Wurde er wegen Verfehlungen oder Verrat verlegt?
Diese Briefe lägen Paketen bei, die der Besuch (oder ein Kontaktmann) mitbringt oder ins Gefängnis schickt. Teilweise liefen sie auch als versteckter Teil der Gefangenen-Post mit.
„Es gibt viele Gruppen und jeder Flur hat seinen Dienstältesten“, sagt ein Anstaltsleiter. „Aber wenn wir jemanden verlegen – weil wir glauben, dass er ein Rädelsführer ist oder Schutz vor Übergriffen braucht –, dann können wir ihn bis nach Hamburg bringen: die Russen dort wissen vermutlich schon Bescheid.“
Die Polizei sagt, man könnte problemlos eine Karte des organisierten Verbrechens über eine Deutschlandkarte legen und so sehen, wo bestimmte Gruppen oder Kartelle aktiv sind – und damit naturgemäß auch im Gefängnis. Die italienische 'Ndrangheta zum Beispiel sitzt überwiegend in den reichen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die Russen dominieren dem BKA zufolge das Allgäu und den Donauraum bei Ingolstadt und Regensburg. Über die Russen und „Araber“ gäbe es interne Aufzeichnungen. Die wolle man aus ermittlungstaktischen Gründen aber nicht veröffentlichen, heißt es.
Nach sechs Jahren kommt Emil frei.
„Ich bin froh, damals niemanden verraten zu haben“, sagt Emil. „Jetzt bin ich ein freier Mann und muss keine Angst haben. Ich habe meinen Dienst getan und war im Gefängnis.“
Nochmal wolle er das allerdings nicht, deshalb habe er alle lukrativen Job-Angebote ausgeschlagen: „Ich habe mittlerweile eine kleine Tochter und will ihr ein guter Vater sein und sie beschützen. Das geht aber nicht, wenn ich im Gefängnis bin“, sagt Emil.
Anfangs findet er draußen keinen Job, wie so viele andere Ex-Häftlinge auch: Er kassiert wieder Absagen; wird weggeschickt. „Sie waren im Gefängnis? Nein, danke.“
Eines Tages gibt Emil einem regionalen Fernsehsender ein Interview; darüber wie schwer es ist, als Ex-Knacki einen neuen Job zu finden; und dass viele irgendwann alte Kontakte akquirieren. Da meldet sich der Chef eines Metallbetriebs: Er habe ihn weggeschickt. Es täte ihm leid. Nun habe er das Interview gesehen und biete Emil ein Bewerbungsgespräch an.
„Bewerbungsgespräche sind wie Drogengeschäfte“, sagt Emil. „Die ersten fünf Minuten sind entscheidend.“ Emil macht einen guten Eindruck und bekommt den Job. Er hat ihn bis heute. Mittlerweile in leitender Position.
Denn eines Tages kommt der Chef und bittet ihn zum Gespräch in seinem Büro: „Wo haben Sie denn gelernt so zu delegieren?“, will der Chef wissen. Er ist ganz begeistert, seine Mitarbeiter seien topmotiviert und straff organisiert. Da lächelt Emil und erzählt seine Geschichte.
Am Ende hat er – so gesehen – also doch noch ausgepackt.
*Name von der Redaktion geändert.
Die Recherche zu dem Projekt „Acht Häftlinge“ ist eine Kooperation von Süddeutscher Zeitung, Bayerischem Rundfunk und Correctiv.