Stiefel

Wer jetzt gerade etwas Geld übrig hat und mit einem einzigen Teil seine Wintergarderobe aufmotzen will, der investiere nicht in eine Thermojacke oder einen dicken Pullover oder wollene Hosen. Sondern in Stiefel. Sie können grau oder braun oder bordeauxfarben sein, flach mit rustikaler Sohle oder hochhackig mit messerscharfem Absatz, gleichgültig, die Mode ist ja heute nicht mehr so. Aber sie haben, bitte, unbedingt hoch zu sein – der Schaft also über die Wade hinaus bis zur Kniescheibe oder, noch besser, eine Handbreit darüber. Solches Schuhwerk veredelt wirklich jedes Outfit zu einem Look: Sieht tough aus zu weiten Dreiviertelhosen oder über Skinny Jeans getragen, elegant zum schwingenden Midi-Rock, sexy zum Mini. Wenn sie nicht, wie hier bei Celine, mit Lammfell gefüttert sind, handelt es sich sogar um ein weitsichtiges Investment, denn nach Ansicht der Schauen fürs kommende Jahr kann man hier vermelden: Wir stiefeln auch im Frühjahr noch. Tanja Rest 

Stiefel

Leder

Wenn es einen Trend gibt, den man Männern nicht näher erläutern muss, dann ist es Leder. Logo, Kleidung aus Tierhaut, liegt doch nahe – diese erfrischende Unkompliziertheit in einer Modefrage muss archaische Wurzeln haben. Der Urmensch und -mann kannte ja bloß die Hülle erlegter Wildtiere, um sich zu bedecken. Das erklärt die rührende Treue zu speckigen Lederjacken, aber diese Saison ist etwas Flexibilität gefragt. Die Palette auf den Laufstegen reichte vom Nappatrench bis zum „Lamb Hoodie“. Acne Studios (im Bild) kombiniert lederne Cargohosen mit Grasgrün, ideal für Großstadt-Trapper. Bei Frauen geht der Trend dagegen eindeutig zu „all in“: Leder von Kopf bis Fuß, in Form von Kostümen bei Gucci und Dior, butterweichen Hosen zu kastigen Jacken wie bei Chanel und Altuzarra. Oder – der neue Streetstyle-Liebling – Overalls aus Leder. Bei den jungen ungarischen Labels Áeron oder Nanushka gibt es die sogar in „Vegan Leather“. Anne Goebel und Silke Wichert 

Leder

Schwarzer Anzug

Eigentlich sollte man in die Mode nicht so viel hineininterpretieren, aber manchmal geht es nicht anders. Nehmen wir die verheerende Weltlage – und dazu den markantesten Look bei allen Herbst-Männerschauen: den schwarzen Anzug. Perfekter Sitz, schmale Silhouetten. Die Erde gerät aus den Fugen und die Herren tragen Festtagsgewand? Interessanter Fall von Normalitätsbias, so heißt in der Psychologie das Festhalten an Bewährtem bei Katastrophen (geigendes Titanic-Orchester). Wobei die Lust am klar strukturierten Zweiteiler nicht nur von dem Verlangen nach Verlässlichkeit kommt, sondern auch vom Überdruss an Streetwear. Plötzlich ist ein Klassiker spannender als regelloses Casual. Jedenfalls äußerst hübsch anzusehen, wieviele Variationen die Designer durchspielen. „Double breasted“ bei Armani, schmächtig bei Saint Laurent. Und Dior drapiert dem Träger noch eine feierliche Schärpe um den Körper. Wenn schon Untergang, dann formvollendet. Anne Goebel

Schwarzer Anzug

XXL-Taschen

Paris Hilton war schuld, dass Hunde in Designertäschchen gesetzt wurden. Jetzt werden Handtaschen wie Hündchen getragen – fest umschlungen, damit das teure Stück nicht entwischen kann. Das gilt für extragroße Clutches (quasi die Knuddelhund-Version, von Bottega Veneta) und für große Shopper, deren Henkel diese Saison völlig überflüssig sind, wie bei dem Modell von Givenchy. Die neue Tragweise erinnert an Zeiten, als Frauen sich noch schutzsuchend bei Männern unterhakten. Mit den neuen XXL-Taschen haben sie auch dafür eine Alternative gefunden. Silke Wichert 

XXL-Taschen

Overshirts

Das Hemd vom Business-Kontext befreien und den Mann von der Übergangsjacke, so lässt sich vielleicht der aktuelle Siegeszug der Overshirts erklären. Die festeren Hemden werden über dem Outfit getragen und sorgen für einen lässig improvisierten Gesamteindruck. Weil die Teile nicht wie Jacken wirken, muss man sie drinnen nicht unbedingt ausziehen, man diffundiert einfach so zwischen den Welten. Männlich! Außerdem hat es immer so was von Arbeit im ungeheizten Atelier. Dieses aktuelle Modell von Levi’s vereint zudem mit dem breiten, grünen Cord gleich noch zwei weitere Trendzutaten in sich. Max Scharnigg

Overshirts

Gliederketten

Und wieder ein Häkchen in der Liste „Neunzigerjahre-Trends, die uns ein weiteres Mal heimsuchen“. Nach Scrunchies und Radlerhosen nun: dicker Gliederschmuck. Damals behängten sich männliche Hip-Hopper damit, mittlerweile ist die Panzerkette auf dem Laufsteg angekommen – für Frauen. Bei Saint Laurent und vor allem bei Bottega Veneta (im Bild), wo sogar der Ausschnitt eines Pullovers von einer goldenen Kette gesäumt ist. Unterschied zum früheren Milieu: der dicke Hals als Luxusversion, etwa mit Gliedern, die abwechselnd aus Gold und Jaspis oder Silber und Lapislazuli gefertigt sind. Silke Wichert 

Gliederketten

Breite Schultern

Schulterpolster sind wieder da – die gängige Diagnose: klares Achtzigerjahre-Revival. Stimmt ja auch, auf die „Dallas“-Ära beziehen sich all die voluminös modellierten Oberkörper, von Versace bis zu diesem farblich zarten Modell von Stella McCartney. Eigentlich reicht die Geschichte zurück bis zur Diva Joan Crawford. In den Dreißigern bahnte sie sich mit viel Gespür für Macht und in einer Garderobe mit Flugzeugträger-Schultern ihren Weg durch Hollywoods Männergesellschaft. Der Beginn des weiblichen Power Dressing, das Frauen bis heute gut brauchen können. Da darf dann das Kleid ruhig rosa sein. Anne Goebel 

Breite Schultern

Maskulin

Wenn der Zeitgeist beschließt, dass gerade wieder Schluss ist mit Konfetti, wenn alles also wieder ein wenig zurückgenommener, klassischer und wertiger daherkommt, taucht in der Mode todsicher das Wort „Tailoring“ auf. Gemeint ist die Essenz der Schneiderkunst, die Fähigkeit also, aus der Zweidimensionalität eines möglichst hochwertigen Stoffes mithilfe des Schnitts und klug gesetzter Nähte die perfekte dreidimensionale Passform zu erschaffen. Tailoring bedeutet in der Regel, dass die Mode maskuliner wird: zackig auf den Körper gemeißelte Blazer, Hosen mit Bügelfalte, Anzugstoffe und Nadelstreifen wie hier bei Dries Van Noten. Und natürlich der maskuline Klassiker überhaupt: das weiße Hemd. Eigentlich logisch, oder? Das weiße Hemd ist die perfekte Garderobe für ernste Zeiten, in denen wir den Hintern allmählich hochkriegen und die Dinge anpacken sollten. Obwohl es, unter uns, auch zu zerrissenen Jeans gut aussieht. Tanja Rest 

Maskulin

Nachhaltigkeit

Der gesunde Menschenverstand sollte meinen, dass im Preis von 2500 Euro für einen Mantel wenigstens die Nachhaltigkeit inbegriffen ist. Aber da täuscht er sich. Auch wenn die großen Luxushäuser gerade „Heads of Sustainability“ ernennen und Pressemitteilungen raushauen, in denen von Klimaneutralität und Engagement für den Regenwald die Rede ist: Die Fertigungsketten bleiben so undurchsichtig wie Briefkastenfirmen auf den Caymans. Solange nur die letzte Naht in Mailand genäht wird, können die Einzelteile auch acht Mal um den Globus transportiert worden sein, es kommt doch das Gütesiegel „Made in Italy“ drauf. Doch es gibt Ausnahmen: Stella McCartneys Mode ist seit jeher vegan, Marine Serre hat es mit Upcycling auf den Kalender der Fashion Week geschafft (im Bild), Gabriela Hearst verarbeitet Wolle von ihren eigenen Schafen. Davon abgesehen gilt: Das nachhaltigste Kleidungsstück ist immer noch das, das man ein Leben lang trägt. Tanja Rest 

Nachhaltigkeit

Überlange Schals

In Hamburg wird gerade ein ganzes Theater umgebaut für die Harry-Potter-Bühnenversion – ein bisschen versponnenes Flair ist auch einfacher zu haben: Überlange Schals für Männer verleihen jedem Herbstspaziergänger etwas Geheimnisvolles. Es muss nicht das Bordeauxrot des Gryffindor-Schals sein, den sich Harry und seine Zauberfreunde umbinden. Norwegermuster oder Neonfarben, bei den Schauen war meterlanger Strick in allen Varianten zu sehen. Dieses Modell von Loewe kommt klassisch gestreift daher. Unverzichtbar: Viel Länge für mehrfaches Wickeln, nur so klappt der dramatische Auftritt. Anne Goebel

Überlange Schals

Military

Wer immer noch meint, die Modewelt sei realitätsfern, sollte sich die Schaufenster diesen Herbst genauer ansehen. Jede Menge schwere Militaryboots, außerdem Cargohosen und natürlich Uniformjacken und -mäntel. Düstere Zeiten, entsprechende Entwürfe. Aber es gibt Hoffnung am Ende des Tunnelzugs! Jedenfalls bei Miuccia Prada. Sie kombiniert diese Militärjacke aus Loden zum Spitzenrock, Stiefel zum geblümten Satinkleid. Das Zarte ringt mit dem Harten, alles hat zwei Seiten – ach, die Welt ist schrecklich kompliziert geworden. Immerhin modisch ergibt das ein hübsches Spannungsfeld. Silke Wichert

Military