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3. Das Bombenlabor

3. Das Bombenlabor

Als die Beamten die Garage Nummer 5 in Jena öffnen, schlagen sie Alarm. Sie finden halbfertige Rohrbomben, sie müssen ihre Kollegen vom Kampfmittelräumdienst zu Hilfe rufen. Etwa 1,4 Kilogramm TNT werden sichergestellt, außerdem rechtsextreme Schriften. In einem der Neonazi-Magazine wird zum Mord an Ausländern aufgerufen. Auf einer Diskette befindet sich ein Gedicht mit dem Titel: "Ali Drecksau, wir hassen dich". Türken werden darin "Ali" genannt, sie werden beschimpft, bedroht, verhöhnt. Mieterin der Garage, in der das alles herumliegt, ist Beate Zschäpe. Den Mietvertrag für diese Bombenwerkstatt hat sie im August 1996 unterzeichnet.

Die Polizei ist auf das etwas abseits in Jena gelegene Objekt gestoßen, weil sie nach den Tätern sucht, die seit Monaten Bombenattrappen und Neonazi-Propaganda in der Stadt verteilen. Der Verfassungsschutz leistet Amtshilfe, observiert Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und gibt der Polizei schließlich den entscheidenden Tipp. Am 26. Januar 1998 lässt sie die Garage öffnen. Weil die Polizei schlecht vorbereitet ist, verliert sie wertvolle Zeit. Die Garage ist mit einem zusätzlichen Schloss gesichert, das erst umständlich aufgebrochen werden muss. Uwe Böhnhardt nutzt die Zeit, um zu fliehen. Er entkommt, obwohl die Beamten ihn zuvor in der Wohnung seiner Eltern angetroffen und auch dort eine Garage durchsucht haben. Böhnhardt informiert seine Freunde, gemeinsam mit Mundlos und Zschäpe verschwindet er im Untergrund.

Die Polizei durchsucht nun auch Zschäpes kleine Wohnung. Dort findet sie unter anderem eine Reichskriegsflagge, eine Steinschleuder, eine Armbrust, ein Buschmesser, einen Morgenstern, eine Gaspistole, ein Luftgewehr mit Zielfernrohr, diverse rechtsextreme Schriften und ein Brettspiel mit dem Namen "Pogromly". Es ist eine selbstgebastelte Nazi-Version von Monopoly. Dort, wo auf dem Spielbrett sonst die Bahnhöfe eingezeichnet sind, befinden sich Konzentrationslager. Das Feld "Frei parken" ist ersetzt worden durch "Besuch beim Führer". Die Ereigniskarten sind voller menschenverachtender, antisemitischer Sprüche. Ziel des Spiels: Eine "judenfreie" Stadt.

Die Positionen

Anklage

Die Anmietung der Garage, die zu einem Bombenlabor ausgebaut wurde, zeigt das konspirative Verhalten des Trios. Die drei haben sich bereits vor dem Untertauchen darauf eingestellt, wie sie unter dem Radar der Sicherheitsbehörden bleiben können. Die gefundenen Bomben und Schriften zeugen auch von der Militanz der Neonazis. Aus Sicht der Anklage waren Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos bereits seit Ende 1997 bereit, einen aktiven Kampf gegen Staat und Gesellschaft zu führen. Die halb fertigen Rohrbomben hätten, anders als die zuvor eingesetzten Attrappen, großen Schaden anrichten können – so wie die beiden Sprengstoffanschläge, die der NSU wenige Jahre später in Köln ausführte. Zschäpe war von Anfang an in die Aktivitäten eingebunden und umgab sich sogar in der eigenen Wohnung mit Waffen und Neonazi-Material.

Verteidigung

Beate Zschäpe stellt das Anmieten der Garage als verzweifelten Liebesbeweis für Uwe Böhnhardt dar. Er habe sich zuvor von ihr (zeitweise) getrennt, worunter sie sehr gelitten habe. Um ihn zurückzugewinnen, habe sie die Garage angemietet. Man habe schon früher darüber gesprochen, dass man ein Objekt finden müsste, um dort Propagandamaterial zu deponieren. Von Schwarzpulver will Zschäpe 1997 erfahren haben, vom TNT und den Rohrbomben jedoch erst am Tag der Razzia. Sie habe die Garage nur wenige Male betreten, jeweils im Beisein von Böhnhardt. Die Waffen in ihrer Wohnung hätten nicht ihr gehört, sondern ihrem Freund. Das Spiel "Pogromly" habe Mundlos "in Eigenregie" entwickelt. Allerdings gibt Zschäpe zu, dass sie nach dem Untertauchen daran beteiligt war, etwa 20 Exemplare zu basteln, um sie in der rechten Szene zu verkaufen. Aus Sicht ihrer Verteidiger dürfen die Beweise von der Garagendurchsuchung im NSU-Prozess gar nicht verwendet werden. Für sie müsse ein Verwertungsverbot gelten, weil die Zusammenarbeit der Polizei mit dem Verfassungsschutz damals rechtswidrig gewesen sei.

Am Spiel "Pogromly" basteln, das ist das eine, scharfe Waffen besorgen das andere. Wusste Beate Zschäpe, dass ihre Freunde sich Waffen beschafften, oder hielten sie das vor ihr geheim?

4. Die Ceska-Pistole