Am frühen Morgen des 6. Dezember 1993 weckt ein gewaltiges Grollen die Menschen in Bocboc. Es hallt aus den Bergen oberhalb des Dorfes ins Tal hinab. Der Maguila-Guila-Damm, der die Abwässer in einem ehemaligen Marcopper-Tagebau aufstaut, hält dem Druck der Wassermassen nicht mehr stand. Eine Flutwelle brauner Minenabfälle wälzt den Palmenhain am Hang nieder und lässt den Fluss Mogpog zu einem bedrohlichen Strom anschwellen.
Bocboc und andere Dörfer entlang des Flusses versinken in den Fluten. Wer kann, rettet sich auf eines der Dächer der wenigen zweigeschossigen Häuser. Die anderen rennen die Hügel hinauf. Zwei Kinder schaffen es nicht rechtzeitig und ertrinken.
Die Spuren des Dammbruchs sind in Bocboc bis heute zu sehen. 786 Menschen zählt das Dorf. Einer von ihnen ist Wilfredo Penarroyo. Sein ganzes Leben verbrachte er in Bocboc. Die Menschen hier lebten vom Wasser des Flusses.
Seit dem Dammbruch ist das Wasser vergiftet, doch die Menschen hier nutzen es weiter: zur Bewässerung ihrer Felder; um Geschirr zu spülen und ihre Wäsche zu waschen – oder ihre Kinder. Der Fluss ist vielerorts die einzige Wasserquelle.
Marcopper stritt eine Verantwortung für das Unglück von Anfang an ab. Ein Manager von Placer Dome gibt die Schuld an der Katastrophe dem Taifun Monang, wie aus Gerichtsakten hervorgeht.
Doch Marinduque wird Jahr für Jahr von Taifunen heimgesucht. Der Regenfall, der angeblich den Maguila-Guila-Damm zum Bersten brachte, war den Gerichtsakten zufolge nicht einmal außergewöhnlich stark. Der Damm war erst knapp zwei Jahre vor dem Unglück errichtet worden. Hatte Marcopper schlicht geschlampt?
Das Unglück änderte nichts daran, dass die Geschäfte für Marcopper weiter prächtig liefen. Die Kosten der immensen Umweltzerstörung: für Marcopper nahe null. Die Steuern für Jahrzehnte profitablen Bergbaus: minimal. Die Gewinne verbuchte Marcopper bei der Tochtergesellschaft MR Holding – gemeldet im Steuerparadies der Cayman-Inseln.
Einzig die Gemeinde, in der Marcopper seinen Produktionsstandort angemeldet hatte, wurde an Steuereinnahmen beteiligt. Die anderen Gemeinden, die ebenfalls von den Umweltzerstörungen des Bergbaus auf Marinduque betroffen sind, gingen leer aus. Ihnen fehlt bis heute das Geld, um die Folgen der Umweltzerstörung zu beseitigen. So wie den Menschen am Fluss.
Drei Jahre nach dem Unglück am Maguila-Guila-Damm suchte die nächste Katastrophe Marinduque heim. Was als kleiner Riss begann, gilt bis heute als das schwerste Industrieunglück in der Geschichte der Philippinen.
Am Grund des alten Tapian-Tagebaus, der ebenfalls als Lagerstätte für die giftigen Minenabfälle genutzt wurde, befand sich ein Abfluss, aus dem zu Zeiten des aktiven Bergbaus Grund- und Regenwasser über ein Rohr abgeleitet wurde – in einen Zulauf des Boac, den größten Fluss der Insel. Später, als der Tagebau als Auffangbecken diente, wurde der Abfluss versiegelt. Doch am 24. März 1996 gab der Stöpsel aus Beton nach. Knapp zwei Millionen Kubikmeter Minenabwässer ergossen sich in den Fluss. Fünf Dörfer entlang des Boac mussten evakuiert werden, Helikopter versorgten etwa 20.000 Betroffene in weiteren 37 Dörfern mit Nahrungsmitteln. Auch der Boac-Fluss gilt seither als biologisch tot.
Dieses Mal behauptet Placer Dome, Schuld sei ein Erdbeben, das Marinduque Monate zuvor erschüttert hatte. Die Katastrophe sei ein “Akt Gottes” gewesen. Erdbeben gibt es auf den Philippinen jährlich Hunderte, das besagte war so schwach, dass die Menschen auf Marinduque es nicht spürten und der Katastrophenschutz keine Warnung erließ.
Marcopper zahlt einigen Hundert Familien in den zerstörten Dörfern umgerechnet je vierzig Euro, den Familien der beiden ertrunkenen Kinder je 400 Dollar. In einem Schreiben an die Provinzregierung weist das Unternehmen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei nicht um Entschädigungszahlungen handele, sondern lediglich um Spenden.
Um den Bergbau auf Marinduque ausbauen zu können, hatte Placer Dome bei internationalen Finanzinstituten Kredite aufgenommen. Die Halifax Initiative, ein Zusammenschluss kanadischer Nichtregierungsorganisationen, der die Geschäfte von Banken durchleuchtet, machte öffentlich, wer Placer Dome das Geld für den umweltschädlichen Bergbau auf Marinduque geliehen hatte: Die staatseigene Kreditversicherung Export Development Canada (1,36 Millionen US-Dollar), die Asiatische Entwicklungsbank, ADB, die sich der Armutsbekämpfung verpflichtet hat (40 Millionen US-Dollar) sowie der kanadische Pensionsfond CPP (351 Millionen US-Dollar). Nach der Katastrophe von 1996 forderte die ADB ihr Geld zurück. Placer Dome zahlte. Die Geschädigten auf Marinduque warten indes bis heute auf eine angemessene Entschädigung.
Placer Dome dominierte Marcoppper
Bald darauf verkauft Placer Dome seine Marcopper-Anteile. Doch Marcopper existiert bis heute – wenn auch weitgehend auf dem Papier. Die Fabrik auf Marinduque, in der das Unternehmen einst die Erze aus dem Gestein ätzte, rostet vor sich hin. Das Gelände samt verwildertem Golfplatz und eigener Landepiste für kleine Flugzeuge ist umzäunt, bewaffnete Sicherheitskräfte bewachen das Tor.
Die offizielle Firmenanschrift befindet sich in einem Hangar am Flughafen der Hauptstadt Manila. Hier arbeitet aber niemand, der Antworten auf die vielen Fragen geben könnte. Auch auf anderen Kanälen war Marcopper für keine Stellungnahme zu erreichen.
Placer Dome wurde die Sache zu heikel. Die Kanadier verließen die Insel für immer. Für die Aufarbeitung der Umweltschäden sah sich das Unternehmen nicht zuständig. Denn für den eigentlichen Bergbau – und somit auch für die Unfälle – seien die philippinischen Partner verantwortlich. Ein philippinisches Gericht urteilt hingegen, dass Placer Dome durchaus einen gewichtigen Anteil hatte: “Placer Dome dominierte Marcopper zu jedem relevanten Zeitpunkt.” Auf wichtigen Posten saßen vor allem Manager von Placer Dome. Marcoppers ehemaliger Vorstandsvorsitzender, der Niederländer Joost Pekelharing, sagt: “Es ist offensichtlich, dass Placer [Dome] in der Zeit, in der das Unternehmen an der Mine beteiligt war, den Betrieb managte.”
Als nächste Lösung schlägt Marcopper ein Verfahren vor, das im Fachjargon submarine tailings disposal heißt. Übersetzt heißt das: Die giftigen Abfälle werden einfach über Rohre auf den Meeresgrund geleitet. Placer Dome kämpft mit Lobbyisten massiv für diese Form der Giftmüll-Entsorgung. Die Nichtregierungsorganisation Mining Watch Canada hat diese PR-Kampagne aufgedeckt.
Vertreter von Placer Dome erzählen den Menschen auf Marinduque, es handele sich um eine “bewährte Technologie”, die in Kanada akzeptiert und praktiziert werde. Tatsächlich ist das Verfahren in wichtigen Bergbau-Nationen wie Kanada und den USA durch Wasser- und Fischerei- und andere Umweltschutzgesetze im Grunde seit Jahrzehnten verboten. In den USA hat kein Bergbauunternehmen je einen Antrag auf das Verfahren bewilligt bekommen.
Auf Marinduque versuchte Placer Dome dennoch, das umstrittene Verfahren anzuwenden. Dafür fliegt ein Mann aus Vancouver ein, stellt sich als Wissenschaftler und unabhängiger Referent vor und hält Vorträge vor Vertretern der philippinischen Umweltbehörde. Tatsächlich ist der Mann ein Mitarbeiter von Rescan Environmental Services. Die Unternehmensberatung wirbt weltweit im Auftrag von Bergbaukonzernen für das submarine tailings disposal-Verfahren.
Immer wenn es regnet
Die Bemühungen von Placer Dome werden noch absurder. In einer Broschüre behauptet das Unternehmen, der “Marinduque Incurable Scuba Diving Addict Club, Inc.”, übersetzt etwa “Verein der unheilbaren Sporttauch-Süchtigen von Marinduque”, habe sich für die Entsorgung der tailings im Meer ausgesprochen. Auf Marinduque hat nie jemand von diesem Verein gehört.
Letztlich bleibt Marcopper tatenlos. Doch selbst dieser Untätigkeit gibt der Konzern einen Namen: “do nothing approach”, der Ansatz, nichts zu tun. Seither darf der Regen die Minenabfälle aus den Flussbetten spülen. Das ist sinnlos, solange Marcopper nicht die Halden in den Bergen räumt. Dort lagern noch riesige Mengen Minenabfälle. Wenn es regnet, wird von dort weiterer Giftschlamm in die Flüsse gespült. Während der Trockenzeit weht der Wind die giftigen Partikel über die vom Bergbau zerfressene Insel.
Die giftigen Minenabwässer, die mit den Fluten aus den Tagebauen gespült wurden, töteten nicht nur die Flüsse, sondern beraubten die Menschen auch ihrer Lebensgrundlage.
Gegossen in Betonziegel, enden die giftigen Hinterlassenschaften des Bergbaus überall auf Marinduque in neu gebauten Häusern. Die Arbeit ist nicht nur beschwerlich, sondern auch gesundheitsgefährdend.