Kapitel 4/4

Wenn es Gift schneit

Kapitel 4

Kleine Insel gegen Weltkonzern

Die Opfer wollen die Verantwortlichen endlich vor Gericht bringen - und verklagen den größten Goldlieferanten der Welt.

Barrick Gold ist ein Goldriese. 200 Tonnen fördert der Konzern Jahr für Jahr. Umsatz: mehr als neun Milliarden Dollar. Wenn der Konzern über seine Arbeit spricht, zeichnet er das Bild eines sanften Riesen: “Unsere Vision ist die Förderung von Wohlstand durch verantwortungsvollen Bergbau – Wohlstand für unsere Anteilseigner, unsere Angestellten und die Länder und Gemeinden, mit denen wir zusammenarbeiten.”

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Ein Gericht in Chile verurteilte Barrick Gold zu Schadensersatz, weil der Konzern mehrfach gegen Umweltschutzauflagen verstieß. Human Rights Watch wirft Barrick Gold in einem 94-seitigen Bericht vor, bei Gewaltexzessen und Gruppenvergewaltigungen in einer Mine auf Papua-Neuguinea systematisch weggeschaut zu haben. Die Nichtregierungsorganisation CorpWatch hat Barrick Gold eine eigene Veröffentlichung mit dem Titel “Barricks schmutzige Geheimnisse” gewidmet, in der dem Konzern weltweit Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden.

Seit 2006 ist Barrick Gold der größte Goldlieferant der Welt. Damals schluckte das Unternehmen einen anderen Bergbaukonzern: Placer Dome, den bisherigen Eigentümer von Marcopper. Hat Barrick Gold nur die gewinnbringenden Minen von Placer Dome erworben oder auch die Altlasten geerbt? Barrick Gold teilt der SZ auf Anfrage mit, dass der Konzern mit der Situation auf Marinduque nichts zu tun habe. Der Betreiber der Minen, Placer Dome, habe seine Aktivitäten auf der Insel nach Entstehen der bedauerlichen Umweltschäden sachgemäß beendet. Die Menschen auf Marinduque sehen das anders.

sz

Deshalb wollen die Betroffenen endlich Gerechtigkeit. Die kleine Insel Marinduque will den Bergbau-Riesen Barrick Gold vor Gericht bringen. Ihre Forderung: mehr als eine Milliarde US-Dollar Entschädigung.

Es klagen: Fischer aus der verseuchten Calancan-Bucht. Menschen aus den Dörfern, die durch die Flutwellen aus den Tagebauen ihre Häuser, ihre Gesundheit und ihre Lebensgrundlage verloren haben. Sowie die Provinzregierung Marinduques, die Schäden an Umwelt und Grundwasser geltend machen will.

Die Betreiber der Minen auf Marinduque wehrten sich von Anfang an gegen den Vorwurf, der Bergbau habe der Insel Schaden zugefügt.

Bereits 1989 sagte John Hick, Placer Domes damaliger Vizepräsident: “Marcopper denkt nicht, dass das Unternehmen die Calancan-Bucht im juristischen Sinne verschmutzt hat.” Auch Barrick Gold will Schadensersatzklagen “energisch” abwehren.

Bislang hatte Barrick Gold damit Erfolg, nicht zuletzt wegen der komplexen Unternehmensstruktur. Vor einem Gericht im US-Bundesstaat Nevada, wo Barrick Gold vier große Minen betreibt, sollte dem Unternehmen der Prozess gemacht werden. Doch nach zehn Jahren Vorbereitung mit etlichen Stellungnahmen, Gutachten und Gegengutachten platzte der Prozess. Das Gericht folgte der Darstellung der Barrick-Gold-Anwälte, die argumentiert hatten, Nevada sei nicht der richtige Verhandlungsort.

Die Kläger versuchen nun, Barrick Gold in Kanada, dem Sitz des Unternehmens, vor Gericht zu bringen. Dort bereitet eine Kanzlei derzeit die Klage gegen Barrick Gold vor.

Kanada selbst nimmt die Konzerne inzwischen präventiv in die Pflicht. In der kanadischen Provinz Quebec etwa sind Minenbetreiber verpflichtet, vor Beginn der Arbeiten einen Sanierungsplan vorzulegen – und dessen Kosten vorzufinanzieren. Das Geld wird als eine Art Pfand bei der Regierung hinterlegt. So muss die Regierung säumige Umweltsünder nicht später vor Gericht zur Kasse bitten.

Eine offene Drohung

Und auf den Philippinen? Lange schien die Regierung in Manila dem Rohstoff-Boom erlegen. Doch der neue Präsident Rodrigo Duterte droht damit, den Bergbau auf den Philippinen zu verbieten. Duterte ist ein Populist, der weltweit bekannt wurde, weil er US-Präsident Obama als Hurensohn beleidigte und während des Wahlkampfes dazu aufrief, Drogensüchtige und Dealer umzubringen – in der Folge sind mindestens 6000 Menschen im vergangenen halben Jahr auf offener Straße getötet worden.

Nun will Duterte auch die Bergbau-Industrie hart angehen. Bereits als Bürgermeister hatte er den Bergbau in seinem Heimatbezirk verboten. Nach seinem Amtsantritt als Präsident bezeichnete er Tagebauten als „Wahnsinn”. Der Bergbau ist nicht nur ökologisch schädlich, sondern gefährdet auch den sozialen Frieden.

Wer sich gegen den Bergbau auflehnt, lebt gefährlich. Die Nichtregierungsorganisation Global Witness, die weltweit Rohstoff-Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen nachgeht, lastet der Bergbau-Industrie auf den Philippinen allein im Jahr 2015 den Tod von elf Umweltaktivisten an. Sie seien im Auftrag von Minenbetreibern getötet worden.

Duterte prophezeite nun, die Philippinen könnten auch ohne den Bergbau, der in den vergangenen Jahren nur etwa ein Prozent zum philippinischen Bruttoinlandsprodukt beitrug, wirtschaftlich überleben. Eine offene Drohung gegenüber der Bergbau-Industrie, die Duterte nochmals bekräftigte, indem er mit Gina Lopez eine langjährige Anti-Bergbau-Aktivistin zur neuen Umweltministerin ernannte, der das Amt für Bergbau untergeordnet ist.

Wann bricht der nächste Damm?

Eine Erhebung des Umweltministeriums ergab, dass in der Hälfte der aktuell betriebenen 40 Minen „fortlaufend gegen Umweltauflagen verstoßen“ wird. In zehn der untersuchten Minen stoppte die Regierung daraufhin den Betrieb.

Lopez stellt in Frage, ob nachhaltiger Bergbau überhaupt möglich sei. „Wenn es verantwortungsvollen Bergbau gäbe, wieso herrscht dann überall dort Armut, wo es Bergbau gibt? Die ärmsten Regionen des Landes sind Bergbauregionen“, sagt die Ministerin. Deshalb will Lopez bald weitere Minen dichtmachen.

Doch damit sind die Gefahren noch nicht gebannt. Im Gegenteil.

In den Bergen Marinduques hinterließ Marcopper weitere verwaiste Tagebaue, in denen giftige Abwässer lagern. Das kanadische Ingenieursbüro Klohn Crippen schrieb bereits 2001 in einem Bericht, dass mehrere Dämme auf Marinduque “kurz vor dem Zusammenbruch” stünden. Ein Einsturz sei “unter den derzeitigen Bedingungen in der Zukunft gewiss”. Reparaturen an den maroden Dämmen hat es seither nicht gegeben.

Der neue Eigentümer Barrick Gold fühlt sich nicht verantwortlich, der Provinzregierung auf Marinduque fehlt das Geld. Allein der Regen und die Erdbeben, die schon zwei der Dämme zum Bersten brachten, kommen gewiss. Mike Magalang, der Katastrophenschutzbeauftragte, warnt inzwischen beinahe routinemäßig vor jeder Taifun-Saison, dass einer der alten Dämme brechen könnte. 

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Der Bergbau sollte den Menschen auf Marinduque Wohlstand bringen. Es kam anders. Die meisten Menschen leben noch immer von der Fischerei und der Landwirtschaft. Beides ist durch die Bergbau-Katastrophen vielerorts auf der Insel stark beeinträchtigt. Und das Gift aus den ehemaligen Minen sickert weiterhin in die Flüsse und gelangt von dort auf die Felder.

Bald nach der Bergbau-Katastrophe von 1996 verhängten Marinduque und weitere Provinzen Moratorien – Bergbau strikt verboten, gültig für 25 Jahre. Doch diese Zeit läuft bald ab. Schätzungen zufolge liegen in der Erde von Marinduque allein im San-Antonio-Erzvorkommen noch knapp 200 Millionen Tonnen Kupfererz – Potential für zwanzig weitere Jahre Bergbau.

Der für Bergbau zuständige philippinische Staatssekretär sagt, seine Behörde habe vor einigen Monaten einen Antrag eines Unternehmens erhalten. Die Firma wollte auf Marinduque Kupfer fördern. Der Name des Unternehmens? Marcopper.  

Die Recherche wurde von der gemeinnützigen Olin gGmbh, die ihre Mittel aus der privaten Stiftung des Unternehmers Alexander Szlovák erhällt, finanziell gefördert und von der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche betreut.  

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