1. Zschäpe gibt auf
Sie hatte gerade alles verloren: ihre beiden Männer, die sich, nach einem Banküberfall ertappt und umstellt, in ihrem Campingbus selbst erschossen hatten; ihre Wohnung in Zwickau, die in Flammen aufgegangen war; ihre Zukunft, denn nun würde innerhalb kurzer Zeit alle Welt wissen, wer neun Migranten und eine Polizistin erschossen hatte. Selbst ihre Katzen waren weg, die sie so liebte. Die hatte sie kurz nach Ausbruch des Brandes in der Zwickauer Frühlingsstraße noch schnell bei Nachbarn abgegeben. Dann war sie losgerannt, war mit dem Zug losgefahren, quer durch Deutschland. Sie war in Chemnitz, Leipzig, Bremen, in Eisenach und Halle an der Saale, dort wäre sie fast vor eine Trambahn gelaufen, so versunken war sie. Vier Tage lang war Beate Zschäpe in jenen Novembertagen des Jahres 2011 auf der Flucht zwischen dem Gestern und einem Morgen, das es für sie nicht gab. Schwankend, ob sie alte Freunde um Hilfe bitten sollte oder es besser wäre, sich selbst zu töten. Dann beschloss sie, sich zu stellen. Das war in Jena, in der Stadt, in der sie so lange nicht mehr gewesen war. In ihrer Heimatstadt, wo ihre Mutter und ihre Großmutter wohnen. Und die Eltern ihrer beiden Gefährten. Hierher zog es sie zurück.
Am Abend dieses 8. November 2011 sitzt Beate Zschäpe vor einem Polizisten, der die erste Vernehmung führt. Alle ihre Sachen musste sie ausziehen und abgeben, für die Spurensicherung, selbst die Unterhose, selbst ihre Handtasche mit dem Leopardenmuster. Seit vier Tagen ist sie unterwegs, ohne Dusche, ohne Schminke, gerade sie, die so viel Wert auf ihr Aussehen legt. Sie muss sich grässlich fühlen. Und dann ist da dieser junge Polizist und fängt ein freundliches Gespräch an. Er stellt ihr Brote hin, bietet ihr Zigaretten an. Zur Sache will sie nichts sagen, sie gibt nur ihre Personalien an. Dann reden sie noch ein bisschen. Dass sie ein Oma-Kind sei, dass später die beiden Uwes in ihr Leben getreten seien und ihre Familie waren.
Die Positionen
Anklage
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat Beate Zschäpe in diesem Gespräch Dinge offenbart, die schwer wiegen. Dem Polizisten soll sie gesagt haben, dass Mundlos und Böhnhardt sie nie zu etwas gezwungen hätten. Von emotionaler Erpressung, wie Zschäpe nun behauptet, war keine Rede. Als sie sich stellte, will sie daran gedacht haben, sich umzubringen wie die beiden, sie habe jedoch nicht die Kraft dazu gefunden. Aber warum sollte sich jemand das Leben nehmen wollen, der in die Verbrechen gar nicht verstrickt ist? Vor dem Haftrichter wurde ihr von der Bundesanwaltschaft eine Art Kronzeugenregelung angeboten, wenn sie voll aussagen würde. Sie erkundigte sich, ob sie Helfer nennen müsse. Ja, müsse sie. Sie zog es vor zu schweigen.
Verteidigung
Zschäpe erklärte, sie habe von den Überfällen gewusst und akzeptiert, von geraubtem Geld zu leben. Von den Morden aber habe sie nichts gewusst, sie sei immer nur im Nachhinein informiert worden. Sie habe die Taten immer abgelehnt. Abgewandt von ihren Männern habe sie sich aber nie. Sie sei von den beiden Uwes seelisch unter Druck gesetzt worden, habe sie nicht verlassen können, weil sich die Männer sonst erschossen hätten.
Wusste Beate Zschäpe wirklich nichts von den Morden? Oder hat sie sie hingenommen und vielleicht sogar befürwortet? Das Gericht betrachtet dafür auch Taten, an denen Zschäpe schon vor dem Untertauchen beteiligt war. Zum Beispiel die Sache mit der Puppe.