4. Die Ceska-Pistole
Carsten S. ist aufgeregt, als er in den Zug nach Chemnitz steigt. Drei Neonazis, die sich vor der Polizei verstecken, erwarten ihn. Carsten S. hat ein paar Mal mit ihnen telefoniert, jetzt soll er ihnen eine Waffe bringen. Mundlos und Böhnhardt holen ihn ab, Zschäpe stößt später dazu. Mit den beiden Uwes geht Carsten S. in das Café eines Kaufhauses. Alle sind aufgekratzt. Bevor er wieder fährt, übergibt er den beiden Männern eine Pistole mit Schalldämpfer.
Als im November 2011 der NSU entdeckt wird, hat Carsten S. ein Problem. Der junge Mann, der sich aus der rechten Szene gelöst hat, ist nun angeklagt wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Er gesteht, den Untergetauchten die Pistole besorgt zu haben, vermutlich im Frühjahr des Jahres 2000. Wenige Monate später erfolgt der erste NSU-Mord, die Rechten erschießen den Blumenhändler Enver Şimşek. Die sogenannte Ceska-Serie nahm ihren Lauf. Es folgten acht weitere Morde an Migranten, jeweils begangen mit einer tschechischen Pistole des Typs Ceska 83. Viel spricht dafür, dass es jene Waffe war, die Carsten S. nach Chemnitz gebracht hatte.
Vor Gericht versucht Carsten S., sich an Details des Chemnitzer Treffens zu erinnern. Als sie zusammen im Café saßen, sollen Böhnhardt und Mundlos von anderen Waffen gesprochen haben, die sie bereits hätten. Als Zschäpe dazukam, sollen sie das Thema gewechselt haben. Zschäpe habe nichts mitbekommen sollen. Einer habe Carsten S. zugeraunt: „Psst!“
Die Positionen
Anklage
Das untergetauchte Trio war eine feste Gemeinschaft. Die drei traten als Einheit auf. Warum aber war Beate Zschäpe bei der Waffenübergabe nicht dabei? Und warum wechselten die Männer das Thema, als sie zur Runde stieß? Offensichtlich prahlten die Männer mit ihren Taten. Das war leichtsinnig, das Trio musste sich bedeckt halten und auch im Umgang mit Helfern vorsichtig sein. Es konnte ihr nicht recht sein, wenn die beiden Männer zu viel preisgaben. Dass sie bei der Übergabe der Waffe in Chemnitz nicht dabei war, entlastet sie nicht. Eine Waffenexpertin war sie nicht, dafür waren die beiden Uwes zuständig. Allerdings: Nach den Aussagen eines ehemaligen Freundes, des Angeklagten Holger G., war Zschäpe bei der Übergabe einer weiteren Waffe dabei. In diesem Fall soll sie Holger G. vom Bahnhof abgeholt haben. Die Waffe sei später in ihrem Beisein ausgepackt und durchgeladen worden.
Verteidigung
Beate Zschäpe war keineswegs immer an der Seite von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Sie gingen oft eigene Wege. Zschäpe sollte nichts von der Waffenübergabe und dem Gespräch über einen Anschlag mitbekommen. Sie wurde nicht eingeweiht. In ihrer Einlassung vor Gericht erklärte sie, Böhnhardt habe ihr einmal "direkt gesagt, dass er mich nicht einschätzen könne, wenn es um das Gefängnis ginge. Er sagte mir, dass er mir zwar grundsätzlich vertraue, aber eben nicht zu einhundert Prozent für den Fall, dass ich eingesperrt würde. Er sagte mir, dass er nicht sicher sei, ob ich in diesem Fall nicht singen würde." Auch Mundlos habe es für möglich gehalten, dass sie die beiden verraten würde, sollte sie verhaftet werden.
Es gibt auch keinen Beleg dafür, dass Zschäpe die Mordwaffe überhaupt jemals in ihren Händen gehalten hat. Und man kann sogar, wie die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben es tun, hinterfragen, ob es sich bei der in Chemnitz übergebenen Pistole tatsächlich um die Tatwaffe handelte. Die Ermittler haben zwar den Weg der Waffe zurückverfolgt und Carsten S. will den Pistolentyp später bei der Polizei wiedererkannt haben. Aber erstens konnte der Weg nicht lückenlos rekonstruiert werden. Zweitens kann man die Aussagen und die Erinnerung von Carsten S. anzweifeln.
Kann man Mörderin sein, wenn man an keinem Tatort dabei war? Niemand hat Beate Zschäpe je in der Nähe eines Tatorts gesehen. Warum die Bundesanwaltschaft dennoch davon ausgeht, dass sie Mittäterin war.