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5. Tatort ohne Täterin

5. Tatort ohne Täterin

Immer nur die beiden Männer: Wie sie ihre Fahrräder vorsichtig am Musiksender Viva vorbei in die Kölner Keupstraße schieben – wo die Bombe auf ihrem Gepäckträger gleich explodieren wird. Wie sie in der Sparkasse in Chemnitz, in Zwickau, in Stralsund stehen – immer eingefangen von Überwachungskameras. Zwei Männer, groß, schlank, maskiert. Die brüllen und die Angestellten in den Banken schlagen, mit einem Ventilator, mit einem Telefon, hart auf den Kopf, auch Frauen, auch Schwangere, die dann in ihrem Blut liegen. Zwei Männer, die über Banktresen springen, die den Filialleiter mit der Waffe bedrohen, ihm den Revolver auf den Kopf hauen. Zwei Männer, brutal, laut, durchtrainiert, ein eingespieltes Team. Der eine Rechtshänder: Uwe Mundlos. Der andere Linkshänder: Uwe Böhnhardt.

Aufnahme einer Überwachungskamera in der Keupstraße in Köln

Gemeinsam gehen sie rein, gemeinsam raus. Und sind verschwunden. Nie, nie sieht man auf diesen Überwachungskameras eine Frau, die zu ihnen gehört. Ihre Gefährtin Beate Zschäpe wartet nicht mit laufendem Motor vor den Banken, sie chauffiert nicht, sie steht nicht Schmiere. Sie sitzt zu Hause und surft im Internet, ob sie dort irgendetwas von einem Banküberfall liest. So war es an jenem 4. November 2011, als ihre Männer nach ihrem letzten Banküberfall in Eisenach von der Polizei umstellt wurden und sich töteten. So war es vermutlich auch die 14 Male vorher: Insgesamt 15 Mal haben Böhnhardt und Mundlos Überfälle auf Banken und Supermärkte begangen – zwischen Stralsund und Zwickau. Oft zweimal hintereinander. Jedes Mal kamen sie heim und brachten Beate Zschäpe die Beute. Und auch wenn sie morden gingen – es gibt keine Hinweise, dass Zschäpe mit ihnen loszog. Beim Mord an dem Dönerbuden-Besitzer Ismail Yasar in Nürnberg wurden die beiden Männer von einer Zeugin unmittelbar davor und danach gesehen: Die Frau sprach von zwei Männern in dunkler Kleidung auf zwei Rädern. Sie konnte sie genau beschreiben. Von einer Frau sprach sie nicht. Auch an keinem anderen Tatort wurde eine Frau gesehen, die Beate Zschäpe auch nur ähnelte. Zwar erklärten Zeugen mal, sie hätten eine Frau gesehen, die wie eine "Barbiepuppe" aussah oder eine, die sie an ihre Lieblingsschauspielerin erinnerte, aber das war alles nicht belastbar.

Die Positionen

Anklage

In diesem Punkt hat die Staatsanwaltschaft ein Problem. Sie hat Beate Zschäpe angeklagt, Mörderin zu sein, Mittäterin an den Taten ihrer Männer, ohne dass sie an den Tatorten dabei war. Die Bundesanwaltschaft hat deswegen das Konstrukt gewählt, wie sie es auch in den RAF-Prozessen bemüht hat: Wer in einer RAF-Kommandozelle zusammenarbeitete, der musste sich die Taten der anderen zurechnen lassen. Denn wer die Taten mit vorbereitete, der wollte sie also auch. Als eine solche Kommandozelle versteht die Bundesanwaltschaft auch den NSU – eine Terrorzelle mit unterschiedlichen Aufgaben. Die Männer brachten das Geld nach Hause und zogen zum Morden los, die Frau sorgte für die Tarnung durch freundlichen Umgang mit den Nachbarn. Sie war ihnen der sichere Hafen und der Rückzugsort. Ohne sie, so die Anklage, hätten die Männer die Zelle nicht aufrechterhalten können. Es ging um Arbeitsteilung für das gemeinsame Ziel: Terror unter Migranten zu stiften. Deswegen musste Zschäpe nicht an den Tatorten sein, um vollwertiges Mitglied der Zelle zu sein. Sie ist deshalb nicht nur wegen Beihilfe angeklagt, sondern als Mittäterin.

Verteidigung

Elfmal hat Zschäpe in ihrer Erklärung den Satz wiederholt: An der Vorbereitung und Durchführung der Tat war ich nicht beteiligt. Immer, sagt sie, habe sie alles nur im Nachhinein erfahren – zumindest wenn es um die Morde ging. Bei den Banküberfällen war das anders. Ja, Beate Zschäpe hat von den Banküberfällen gewusst, sie hat sie auch gebilligt, weil sie ja von etwas leben musste. Und sie hat mit Geldscheinen bezahlt, die sie aus Bündeln zog, um die noch Bank-Banderolen geschlungen waren. Aber mit dabei war sie selbst nie. Das sagte sie in ihrer Erklärung. Der Grund: Sie habe viel zu viel Angst davor gehabt, eine Bank zu überfallen. Und als sie von den Morden erfuhr, habe sie ihren Männern sogar regelrechte Szenen gemacht, sie verbal angegriffen und danach wochenlang geschmollt. Sie stellt sich als Opfer der mordlustigen Männer dar, unfähig, sie zu verlassen. Von Böhnhardt sei sie sogar geschlagen worden. Sie sehe sich nicht als Mitglied einer terroristischen Vereinigung, sie habe die Taten auch nicht ideologisch unterstützt. Sie sei kein NSU-Mitglied, sie habe einfach nur ihren Freund Uwe als Mann geliebt und Uwe Mundlos wie einen Bruder – sie habe sich nicht lösen können.

Ist es kriminell, mit dem Hausmeister Prosecco zu trinken? Ist es Tarnung, nett zu den Nachbarn zu sein? Warum sich das Gericht auch für Zschäpes Alltag interessiert.

6. Alles Tarnung?