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9. Auf der Insel

9. Auf der Insel

Ein bisschen Hüpfen nach rechts, ein bisschen Hüpfen nach links. Man kann noch heute Beate Zschäpe bei der Gymnastik zusehen, die sie im Urlaub macht. Die Insel Fehmarn bot die Turnübungen unter freiem Himmel für Urlaubsgäste an. Ein NDR-Fernsehteam hat das gefilmt. Mittendrin: Beate Zschäpe, ganz entspannt im Urlaubsmodus. Es waren sonnige Tage an der Küste, auf dem Campingplatz direkt am Meer. Regelmäßig fuhren Zschäpe und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hierher. Sie blieben über Wochen, oft eineinhalb Monate lang.

Fernsehaufnahmen zeigen Beate Zschäpe im Urlaub

Die Männer trieben ausdauernd Sport, paddelten hinaus aufs Meer und waren mit dem Surfbrett unterwegs. Beate Zschäpe hielt den Campingwagen und das Vorzelt in Ordnung, kochte und freundete sich mit den Nachbarn auf dem Campingplatz an. Vor allem mit der Tochter des Ehepaars nebenan; die Familie kam aus einer kleinen Stadt in Norddeutschland. Zschäpe ging mit der 14-Jährigen ins Kino und zum Einkaufen, sie quatschten und spielten Karten, und das Mädchen vertraute Zschäpe ihre Teenager-Geheimnisse an, den Ärger mit der Mutter, den ersten Liebeskummer. Beate Zschäpe wurde zu ihrer Freundin, und die Familie und das Trio aus Zwickau trafen sich jedes Jahr wieder am Strand. Zschäpe und ihre Männer besuchten die Familie sogar zu Hause, sie übernachtete bei ihrer jungen Freundin im Kinderzimmer.

Das Mädchen, mittlerweile Studentin, sagte später vor Gericht aus. Sie berichtete von dieser Freundschaft, von diesem tiefen Vertrauen zu Beate Zschäpe und zu den lustigen Männern. Sie seien wie Ersatzeltern gewesen. Und sie erzählte dabei drei wichtige Dinge: Gerry, so nannte sich Uwe Böhnhardt, habe sie einmal gefragt, ob sie schon mal eine Bombe gebaut habe, und ihr dann erzählt, er habe das in seiner Jugend getan. Er habe ihr dann auch erklärt, wie das geht. Liese - so nannte sich Beate Zschäpe - habe immer für ihre Männer gezahlt und sei mit ihr einkaufen gefahren. Sie habe im Supermarkt dann mit Geldscheinen hantiert, um die noch die Banderolen der Bank gewickelt waren. Sie könne sich erinnern, wie Zschäpe die Scheine aus den Bündeln gezogen habe. Und dann sagte das Mädchen noch etwas: Die drei waren enge Freunde. "Sie haben alles voneinander gewusst."

Die Positionen

Anklage

Für die Staatsanwaltschaft sind die Aussagen des Mädchens ein wichtiger Hinweis darauf, dass Beate Zschäpe das volle Vertrauen der beiden Männer genoss – anders, als sie selbst vor Gericht erklärte. Der Hinweis, dass die drei alles voneinander gewusst haben, lässt die Aussage von Zschäpe wenig glaubwürdig klingen, wonach die beiden Männer meistens für sich gewesen seien und sie nicht gewusst habe, was sie treiben. Außerdem haben Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe über Wochen in einem Wohnmobil zusammengelebt, es gab nach Auskunft der befreundeten Zeugen keinerlei Spannungen zwischen ihnen. Das lässt auf eine enge Verbundenheit und ein Vertrauensverhältnis zwischen den dreien schließen. Ein wichtiger Hinweis auf die gleichberechtigte Rolle, die Zschäpe in der Gruppe spielte, ist zudem, dass sie über das Geld der drei verfügte und die Urlaubskasse verwaltete. Das zeigt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ihre wichtige Rolle innerhalb des NSU.

Verteidigung

Die Urlaubszeit ist für die Verteidigung eine Ausnahmesituation, die nicht auf den Alltag schließen lasse, und selbst in dieser Ausnahmesituation seien die Männer ja ihre eigenen Wege gegangen. Die Zeugen berichten, Mundlos und Böhnhardt seien lange auf dem Meer und viel mit den Rädern unterwegs gewesen. Zschäpe habe oft auf sie gewartet und sie bekocht. Beate Zschäpe selbst gab an, sie habe nur das Geld verwaltet, weil sie am sparsamsten war. Und sie habe auch nie die Rechnung für eines der Wohnmobile bezahlt, mit denen die Männer zu ihren Taten aufgebrochen waren. Sie sei nicht der Kassenwart gewesen, jeder habe mal für Lebensmittel, Kleidung oder anderes gezahlt. Nur die Miete habe meistens sie beglichen. „Den Argumenten der Bundesanwaltschaft, ich sei Kassenwart und sowohl für die Abtarnung zuständig als auch für den Erhalt eines Rückzugsgebietes verantwortlich gewesen“, trat sie in ihrer Erklärung entgegen. Zu ihrer Freundin vom Campingplatz verlor sie kein Wort.

Unbestreitbar ist, dass Beate Zschäpe ihre Wohnung in Zwickau angezündet hat. Sie rettete das, was ihr am wichtigsten war: ihre Katzen. Doch was war mit der alten Nachbarin nebenan?

10. Die Brandstiftung